Headshot-Fotografie – Die Kunst des Ausdrucks
von Sandra Meyer
Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff der Headshot-Fotografie sogar unter Fotografen nicht allzu bekannt. Dabei ist sie im englischsprachigen Raum Standard und ein großer Teil der Portraitfotografie.
Wörtlich übersetzt bedeutet „Headshot“ eben „Kopfschuss“ und das ist auch schon die simple Definition hinter einer Art der Fotografie, die so viel mehr ist, als nur Fotos vom Kopf.
Peter Hurley als Vorbild
Vor 7 Jahren fing meine Faszination für Headshots an. Bis dahin hatte ich davon auch noch nie gehört. Aber die Fotos und ihre Wirkung faszinierten mich einfach. Ich erfuhr, dass einer der bekanntesten Headshotfotografen – Peter Hurley – ein eigenes Forum zum Erlernen seiner Techniken hatte, meldete mich dort an und lernte, worauf es bei einem Headshot ankommt und warum seine Fotos diese Wirkung haben: Es geht um den Ausdruck.
Sprich den Betrachter an
Der Betrachter des Fotos muss den Eindruck haben, dass er angeschaut und
angesprochen wird und nicht, dass jemand in eine Kamera geschaut hat.
Ein Headshot soll Selbstvertrauen, Sympathie und Kompetenz vermitteln. Und das nur über den Ausdruck. Daher wird auch – wie es teilweise in der Portraitfotografie üblich ist – auf Accessoires, Arbeitsmaterial oder das Einbeziehen der Umgebung verzichtet, um einen Bezug zum Stand oder zum Beruf einer Person herzustellen.
Einsatzmöglichkeiten von Headshots
Deshalb sind Headshots perfekt einsetzbar, wo man ein Foto von sich zeigt: Als Profilbild in Social Media, auf der eigenen oder der Firmen Webseite oder im Lebenslauf. Ein Headshot schafft eine Verbindung zum Betrachter und somit Vertrauen. Er macht neugierig, was für ein toller Mensch da gezeigt wird.
Das klingt eigentlich ganz leicht, oder? Ein Kunde kommt ins Studio, wird auf seinen Platz gewiesen und es werden Fotos gemacht. Kein Problem, oder?
Herausforderungen bei der Headshot-Fotografie
Wenn du selbst schon einmal vor einer Kamera standst, dann weißt du, wie unwohl man sich dort fühlen kann. Du weißt nicht genau, was du machen sollst. Du stehst ja nun einmal nicht oft vor einer Kamera. In einem Studio, in dem diese ganzen Boxen und Lichter auf dich gerichtet sind. Aber es geht für dich um was, denn du willst gut sein und richtig gute Fotos von dir haben.
Fragen kommen auf:
- Wie soll ich stehen?
- Wie soll ich gucken?
- Wo soll ich hingucken?
- Mache ich das richtig?
- Wo sollen meine Hände hin?
- Wieso redet der Fotograf nicht mit mir?“
Das alles führt dazu, dass dein Hirn auf Hochtouren arbeitet und dein Gesicht Dinge machen lässt, die ganz unbewusst ablaufen: Deine Augen werden groß und du presst die Lippen zusammen. Dein Gesichtsausdruck wirkt absolut verkrampft. Wenn jetzt noch der Mensch hinter der Kamera sagt: „Lächeln!“, dann ziehen sich zwar deine Mundwinkel automatisch nach oben, aber die Augen starren immer noch starr in die Linse.
Fotos, die aus so einer Situation heraus aufgenommen werden, können einfach nicht gut werden!
Selbstbewusste und kompetente Ausstrahlung
Bei einem echten Lächeln, lachen die Augen und der Mund. Bei einem falschen Lächeln, sind die Augen unbewegt oder oft sogar weit aufgerissen und die Unterlippe wird heruntergezogen, sodass die unteren Zähne sichtbar werden. Diese sind sonst aber nur bei einem echten, großen Lachen zu sehen.
Wenn das Lächeln in einem Foto unecht ist, registriert das Gehirn des Betrachters dieses innerhalb von wenigen Millisekunden. Die Folge: Der Betrachter fühlt instinktiv die Diskrepanz, dass etwas nicht stimmt. Das wiederum möchte eigentlich niemand mit dem eigenen Foto erreichen.
Das ist in meinen Augen das Hauptproblem mit dem Ausdruck in Fotos.
Damit der Mensch vor meiner Kamera jetzt aber trotzdem zu einem selbstbewussten, kompetenten und sympathischen Ausdruck kommt, muss man neben einer guten Atmosphäre im Studio den Kunden gezielt anleiten. Ihm die Angst nehmen und am besten alles so genau wie möglich erklären.
Durch jahrelange Erfahrung mit mittlerweile über 600 Menschen vor meiner Kamera, habe ich einige Tricks und Kniffe entwickelt, die gut funktionieren und die ich jeweils passend zum Kunden auswähle.
Die Person spiegeln
Ich spiegele meine Kunden, zeige ihnen, wie sie in diesem Moment gerade gucken, was oft zu Gelächter führt und direkt für Lockerheit sorgt. Auch, wenn ein Kunde für sein Foto kein riesengroßes Lachen möchte, ist es wichtig, solche echten Ausdrücke hervorzulocken und festzuhalten.
Feedback auf dem Monitor
Eines der wichtigsten Tools ist das Zeigen und besprechen der Fotos auf einem großen Monitor.
Hintergrund für einen Headshot
Es ist egal, welcher Fotohintergrund genutzt wird. Weiß, schwarz und grau sind die gängigen Farben. Headshots können im Fotostudio entstehen, OnLocation oder draußen, mit Blitzen, Dauerlicht oder Available Light.
Kleidung
Die Kleidung spielt in Headshots auch eine eher untergeordnete Rolle. Ich empfehle immer, eine Auswahl mitzubringen, die wir dann durchschauen und gemeinsam entscheiden, was getragen wird. Wohlfühlen steht an oberster Stelle! Und das sollte es das ganze Shooting durch.
Es kommt nämlich nur auf den Ausdruck an!
Über Sandra Meyer
Sandra lebt und arbeitet als Fotografin in einem kleinen Dorf in Niedersachsen. Sie ist seit 2014 selbstständig und hat sich auf Headshot-Fotografie spezialisiert.
Hallo,
man könnte Headshot auch ganz anders übersetzen, und damit meine ich eigentlich etwas negatives. Zumindest ist mir das als erstes in Erinnerung gekommen. 🙁
Ansich ist die Abbildung doch eher als Nahe zu bezeichnen, von daher außer dem Namen doch nichts ungewöhnliches?
Bild eins ist auch in der farbkombination sehr gut gelungen!
Hallo Sandra,
toller Beitrag! Ich versuche mich seit einiger Zeit als Hobby-Fotograf in meinem Heimstudio an der Headshot-Fotografie. Ich habe noch Schwierigkeiten mit dem Licht-Setup. Hast du dazu auch Tipps?
Danke
Erkan
Superb Headshot Fotos!