Anna Försterling ist Portrait- und Aktfotografin und fotografiert ausschließlich analog. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass sie mir einige Fragen zu ihrer Arbeit beantwortet hat:
Anna, wie beschreibst Du Deine Art der Aktfotografie?
Eine schöne Frage für den Start! Ich liebe Minimalismus, den Ausdruck der Haut und alles, was man gestaltungstechnisch mit Körpern anstellen kann. Oft mache ich anonymen Akt, weil ich die Körperform in den Vordergrund rücken will. Der Körper ist für mich eines der schönsten Gestaltungselemente. Also zusammengefasst in drei Worten: minimalistisch, zeitlos, natürlich.
Manchmal mache ich auch Aktportraits, dann rücke ich den Menschen und vor allem sein Gesicht in den Fokus. Da erzählen die Augen und der Gesichtsausdruck eine Geschichte. Sonst bin ich nämlich auch der festen Überzeugung, dass die Haut einen großen Teil der Seele preisgibt. Man muss nur genau hinschauen.
Warum bist Du Fotografin, was treibt Dich an?
Für mich kam der Wunsch, dass ich Fotografin werden wollte, nach einem Praktikum bei einem Fotografen. Seitdem ist die Fotografie meine große Leidenschaft und nicht mehr aus meinem Leben wegzudenken.
Zwei Jahre später (also nach dem Praktikum) begann ich auch meine Ausbildung zur Fotografin. Durch sogenannte überbetriebliche Lehrunterweisungen lernte ich dann die analoge Fotografie kennen und verliebte mich sofort in die Arbeitsweise und die Bilder, die ich mit ihr erschaffen konnte.
Ich habe ja mit der Digitalfotografie angefangen, aber der Gedanke, nun etwas für die Ewigkeit schaffen zu können und ein ‚richtiges‘ Bild in den Händen halten zu können – das war für mich schon etwas ganz Neues. Und irgendwie drücken für mich analoge Bilder auch etwas anderes aus als Digitalbilder. Sie haben einfach einen anderen Charme, eine andere Tiefe.
Jedenfalls begann für mich dann auch die Zeit der Portraitfotografie, denn komischerweise fand ich Portraits erst seit dem Punkt spannend. Zuvor hatte ich mich mit Landschaftsfotografie und Makrofotografie beschäftigt, aber nun durch die analoge Schwarzweißfotografie, begannen mich analoge Portraits total zu faszinieren. Und seitdem fotografiere ich alle meine Portraits und Aktfotografien analog auf Film.
Aber um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen: Ich bin Fotografin, weil ich mich für Ästhetik und visuelle Dinge interessiere. Mich interessieren ‚Bilder‘, mich interessiert Kunst. Ich sehe meine Leidenschaft darin und sie erfüllt mich.
Was ist Dir bei Deiner Arbeit besonders wichtig?
Minimalismus.
Hast Du Vorbilder in der Fotografie? Was hast Du von ihnen gelernt?
Vorbilder habe ich nicht wirklich, zumindest kann ich keine explizit nennen. Ich lasse mich von vielen Künstlern inspirieren, sowohl Fotografen, Maler als auch Musiker. Wenn ein Künstler für mich eine besondere Stimmung erschafft, kommen bei mir die Bildideen.
Kannst Du Dich noch an Deine ersten Aufnahmen im Bereich „Aktfotografie“ erinnern? Was waren dabei die größten Herausforderungen und wie hast du sie gemeistert?
Also ehrlich gesagt kann ich mich gar nicht mehr so richtig daran erinnern, ich musste auch direkt erst mal in meinem Archiv suchen, welches Shooting das war …
Also ich habe ja mit der Portraitfotografie angefangen, danach ging ich über zum Teilakt und anschließend zur Aktfotografie. Ich kann nicht sagen, dass ich vor großen Herausforderungen gestanden habe, denn zwischen meinen weiblichen Models und mir gab es von Anfang an schon ein gewisses Vertrauen. Damit meine ich den Vorteil, selbst eine Frau zu sein und somit konnte (und kann) ich mich ja sehr gut in meine Models reinversetzen.
Ich mache die Posen meist ja auch vor, wenn ich sie bereits im Kopf habe. Vor jedem Shooting erkläre ich den Models auch noch mal, was ich vorhabe und frage nach Dingen, die beachten soll (irgendwelche Körperstellen, die ich nicht direkt zeigen soll oder evtl. Krankheiten). Das ist zwar vorher auch schon geklärt, aber worüber sollte man sonst vor dem Shooting reden, natürlich neben dem Charme der analogen Fotografie, wenn nicht darüber!
Wie hast Du in Deiner Anfangszeit Modelle gefunden und wie läuft das heute?
Meine ersten Modelle habe ich über Facebook gefunden, als ich in einer Fotogruppe nach Modellen fragte. Daraufhin hatte sich ein Model gemeldet und wir haben einen Mix aus Portrait und Teilakt umgesetzt. Heute finde ich alle meine Modelle über Instagram, entweder schreibe ich sie selbst an und ich bekomme Anfragen.
Welche Locations nutzt Du für Deine Aufnahmen und wie organisierst Du das?
Ich suche die Locations immer nach meinen Ideen aus, meist gehe ich in minimalistisch eingerichtete Räumlichkeiten oder raus in die Natur. Selten nutze ich auch mal das Studio.
Es ist in meiner Ecke gar nicht so einfach, schöne Räume für meine Aktshootings zu finden, da ich auch gewisse Ansprüche habe. Zum Beispiel sollte es ein Raum mit mindestens einem großen Fenster sein, die Wände entweder unverputzt oder schlicht weiß oder grau, der Boden auch so minimalistisch wie möglich mit bspw. Holzdielen. Räume im rohen Stil mit viel Beton finde ich auch immer sehr spannend.
Mir ist immer wichtig, den Fokus ganz auf das Model legen zu können und keine ablenkende Deko im Bild zu haben, daher bevorzuge ich kahle Räumlichkeiten.
Wenn ich mit den Models raus in die Natur gehe, schaue ich auch wieder auf ein recht minimalistisches Setting. Wasser finde ich toll, es ist für mich einfach die Möglichkeit, den Blick komplett auf den Körper zu lenken ohne störende Bildelemente wie z.B. das Laub von Bäumen auf dem Boden.
Jedoch muss ich sagen, ist alles immer ziemlich individuell, ich habe auch schon Fotos auf Laubboden gemacht und ihn dann aber sehr ins Unscharfe gehen lassen …
Welche Stimmung herrscht bei Dir am Set und welche Ausstrahlung strebst Du mit Deinen Fotos an?
Das ist eine gute Frage, ich denke das könnten meine Models besser beantworten. Aber aus meiner Sicht beschreibe ich es so: Ich mag es entspannt und schätze Unterhaltungen und Gespräche vor, während und nach der Fotosession sehr. Ich nehme mir gern viel Zeit und stecke mehr Arbeit in die Vorbereitung der Räumlichkeiten und der Posen des Models, denn da ich analog fotografiere, kann ich später nichts mehr retuschieren. Obwohl, eigentlich könnte ich es schon, aber ich möchte nichts retuschieren.
Ich erfreue mich mehr an einem Negativ, an dem von vornherein alles so ist, wie ich es mir vorstelle. Durch die Zeit, die ich brauche, sind also auch die Fotoshootings insgesamt sehr ruhig und entspannt. Musik höre ich währenddessen nicht, es ergibt sich einfach nie. Nur selten, wenn das Model die Initiative ergreift, aber dann muss die Musikrichtung auch stimmen. Mit modernem Pop kann ich leider gar nichts anfangen, im Gegenteil, ich mag diese Musik überhaupt nicht. Für mich kommen bei Fotoshootings eher Blues/Rock-Oldies oder Gitarrenmusik in Frage, vor allem liebe ich Live-Gitarrensessions von Jimi Hendrix.
Zu deiner zweiten Frage: Es ist unterschiedlich. Jetzt würde ich spontan sagen, dass mir Ruhe, Zeitlosigkeit und Natürlichkeit in meinen Bildern sehr wichtig sind. Ich plane jedoch momentan Bildkonzepte, da möchte ich eher am Betrachter rütteln.
Gibt es technische Randbedingungen, die für Deine Arbeit wichtig sind? Lichtführung, Kameratechnik, Bildbearbeitung?
Also in erster Linie ist es die analoge Fotografie, die ich für meine Arbeit nutze. Digital kann ich einfach nicht so fotografieren, wie ich es analog mache. Den Film einzulegen, eine charmante Kamera in den Händen zu halten und nicht zu wissen, wie das Bild denn nun tatsächlich fertig aussieht – das reizt mich unglaublich und inspiriert mich auch!
Lichttechnisch mag ich vor allem vorhandenes, natürliches Licht. Am liebsten Fensterlicht, denn es gibt den Portraits und allgemein dem Körper eine wunderbare Plastizität.
Vor einigen Jahren habe ich auch hin und wieder im Studio fotografiert, aber momentan reizt mich das nicht mehr. Ich kann gar nicht genau sagen, warum, ich mag es ja sehr minimalistisch. Aber ich denke es liegt am Studiocharakter selbst: Hintergrund, Blitzlicht – alles sieht nach Studio aus. Da bevorzuge ich dann eher kahle Räume mit Fensterlicht.
Wie möchtest Du Deine Fotos am liebsten sehen: Gedruckt in einem Bildband, gerahmt an der Wand oder auf dem Cover einer Zeitschrift?
Das ist eine schwierige Frage, denn ich finde alles ganz toll! Aber wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es wohl gerahmt in einer Galerie oder Ausstellung. Denn so kann man das Bild richtig auf sich wirken lassen, es hat eine andere Größendimension als in einem Bildband oder Magazin und irgendwie ist ja auch das Ambiente ganz anders.
Eine Ausstellung hat ja eine gewisse Ausstrahlung, eine ganz andere als ein Buch oder ein Magazin. Außerdem finde ich es wunderbar, die Bilder für eine Ausstellung oder generell für einen Bilderrahmen fertig zu machen, denn die Wahl des Passepartouts und die Art des Rahmens bilden auch noch mal eine ganz neue Weise der Bildpräsentation.
Welches Foto, das Du bisher noch nicht fotografiert hast, möchtest Du gerne noch machen?
Also in dem Fall spielt für mich eher der Ort der Fotografie eine Rolle – denn ich würde unglaublich gern mal im Wüstensand Fotos machen. Ich stelle mir total seltsam-interessante, anonyme Körperlandschaften vor, und das inmitten von Sanddünen!
Welchen Tipp hast Du für Einsteiger in die Aktfotografie, damit ihre Fotos besser werden?
Mein Tipp ist, mit dem Model zusammen ein Bildkonzept zu entwickeln. Denn das Model kennt sich und ihren Körper und weiß in dem meisten Fällen, welche Körperbewegungen sie beherrscht und vor allem, was gut aussieht.
Es ist für ein Fotoshooting ungemein hilfreich, sich als Fotograf*in in der Situation nicht als Alleinunterhalter zu sehen und wirklich ‚zusammen‘ etwas zu erschaffen, denn das führt auch zu Vertrauen und das Fotoshooting macht gleich viel mehr Spaß.
Welche Antwort gibst Du, wenn jemand von Dir ganz persönlich lernen möchte? Gibt es Workshops, Einzel-Trainings oder ein Buch?
Ende 2020 ist mein Buch „Aktfotografie – Die große Fotoschule“ herausgekommen, das ich mit vier weiteren Fotografen (Hannes Caspar, Andreas Bübl, Sacha Leyendecker und Sascha Hüttenhain) geschrieben habe. In diesem Buch beschreiben wir alle unsere Art des Fotografierens, unseren Stil, worauf wir Wert legen und wie unser Workflow ist.
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Ich denke es ist viel hilfreicher für angehende (Akt-) Fotografen, sich in den Workflow eines anderen Fotografen hineinzulesen als nur Anweisungen aus einem Lehrbuch für das „perfekte Bild“ zu erhalten.
Einen Workshop habe ich bisher noch nicht gegeben, bin aber definitiv nicht abgeneigt! Ich müsste mir dazu nur ein Konzept zur Umsetzung überlegen. Zuerst muss jedoch die Corona-Pandemie unter Kontrolle gebracht werden, denn durch sie sind Veranstaltungen zurzeit ja nicht möglich.
Über Anna Försterling
Anna Försterling ist 1995 im Erzgebirge geboren und lebt und arbeitet bis heute dort.
2014 begann sie die Ausbildung zur Portraitfotografin, die sie 2017 erfolgreich abschloss. Seit Januar 2020 ist sie komplett selbstständig.
Eine interessante Geschichte mit schönen Bildern.
Mich interessiert auch, mit welchem/n Negativformat(-en) Anna fotografiert und wie sie ihre Bilder zu Papier bringt. Mit Belichtung und chemischer Entwicklung oder mit Negativ-Scan und FineArt-Druck? Falls chemische Entwicklung der Papiere – auf welchem Weg kamen die Bilder hier in den Beitrag?
Eine Bildaussage entsteht immer im Auge des Betrachters und mich interessiert die Idee der Fotografin dahinter: Als übergeordneten Eindruck sehe ich den Widerspruch zwischen dem Wort Akt oder Aktfotografie und den Fotos. Im Wortsinn bedeutet es Handlung, Akt-ion, Akt-eur, akt-iv. In Bild 6 bis 8 stelle ich mir eine Geschichte vor, Aktion ist impliziert, bei Bild In der Fotografie betonst du die Form, die Linie, die Fläche. Du nennst es Minimalismus. Schwarzweiß passt sehr gut, unterstützt die Formensprache und es es auch konsequent, analog zu fotografieren, weil es unglaublich entschleunigt. Die Form und die Statik dominieren die Bilder, mehr die Architektur als der Akt bzw die Aktion. Du bist nah dran (Bild 1 und 2), die geringe Schärfentiefe schafft viel Nähe, die Struktur der Haut ist fast dominant, schafft ebenfalls Nähe, der Blick in die Kamera, bei beiden Portraits schafft der Mund aber Distanz. Alle anderen Fotos sind „kopflos“, also Distanz. Sehr spannend auch die Frisur bei 1: die Haare vor der Stirn wirken wie ein Vorhang. Sie verdecken das, was dahinter ist, die Gedanken. Auch hier der Widerspruch in der Aussage: Die Kamera zeigt Nähe, der Blick geht in die Kamera, wendet sich dem Betrachter zu und sagt gleichzeitig „was willst du von mir?“ Portrait 2 fällt hier aus dem Rahmen und wirkt ganz anders auf mich: Da ist unglaublich viel Leben in den Augen und die Sommersprossen geben der Haut eine unglaubliche Lebendigkeit. Die Haare sind offen, die Stirn ist frei und sogar das Ohr! Du blickst mit der Kamera auf ihre linke Gesichtshälfte – das ist ihre „private“ Seite. Nur der geschlossene Mund schafft etwas Distanz, fast kokettierend. Ich finde das sehr spannend! Jetzt wäre es interessant zu wissen, wie meine Interpretationen mit deiner Absicht in Zusammenhang stehen?