Wenn der Tag zuende geht
Von Frank Upmeier
Wenn der Tag zu Ende geht, wenn das Fotografieren zur blauen Stunde möglich ist, dann ziehe ich los um meine Sicht auf die Dinge fotografisch festzuhalten.
Meine Leidenschaft zur Fotografie (und hier speziell zu sogenannten „Langzeitbelichtungen“ oder der „Fotografie im Dunkeln“ allgemein) sind meinem damaligen Job als Revisor geschuldet. In dieser Zeit war ich des öfteren quer durch Deutschland unterwegs und hatte erst am Abend Freizeit und somit Gelegenheit zum fotografieren. Und was kann man schon in der Dunkelheit „ablichten“ ?
Darum soll es in diesem Artikel gehen, denn Langzeitbelichtungen ist ein Thema, das vielseitiger ist, als man zuerst vermuten würde… denn nicht jede Langzeitbelichtung ist in der Nacht entstanden, und nicht jede Nachtaufnahme ist eine Langzeitbelichtung !
Langzeitbelichtung am Tage
Ihr kennt sicherlich alle die Fotos, in denen Wolken am Himmel dynamisch auf den Betrachter zu ziehen, Bilder bei denen z.B. Wasser wie Watte aussieht oder wo belebte Plätze plötzlich nahezu menschenleer erscheinen.
Das alles ist keine Zauberei, sonder liegt an einem meiner liebsten Fotozubehör-Artikel:
Der Graufilter (oder auch Neutraldichtefilter genannt)
Um solche Effekte zu erzielen, benötigt man einen sogenannten ND-Filter. Dieser wird bei den verschiedenen Herstellern anders benannt. Bei einem heisst der Filter ND3, bei einem anderen ND1000 oder BigStopper. Wichtig ist nur, dass du darauf achtest, dass er ca. 10 Blendendstufen Licht schluckt, denn das heißt in der Praxis, dass ihr die Belichtungszeit ver1000facht !
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Beispiel:
Du stellst Deine Kamera ausnahmsweise mal auf Automatik und machst ein Bild von deiner Wunsch-Location. Mal angenommen das Bild wurde nun bei Blende 8 mit 1/30 sec. aufgenommen. Wenn ihr nun den Filter verwendet könnt ihr 1000x solange belichten, um das gleiche Ergebnis (in der Helligkeit) zu erzielen. In unserem Fall wäre das 1/30 x 1000 = 30 sec (als Faustregel). Und du kannst dir vorstellen, das in 30 Sekunden viel Wasser den Bach hinunterfliesst oder das (bei etwas Wind) die Wolken eine beachtliche Strecke am Himmel zurückgelegt haben.
Inzwischen gibt es auch eine App oder entsprechende Umrechnungstabellen, mit der Du dir den exakten Wert errechnen kannst. Aber mit der Faustregel liegst du schon immer ganz gut !
Ein menschenleerer Platz ? Wie geht das ?
Nun ja.. Dadurch, dass du mit diesem Filter z.B. 30 sek. belichtest, fällt nur sehr wenig Licht auf den Sensor. Die richtige Belichtung des Bildes kommt erst durch die lange Aufnahmezeit zustande.
Wenn nun ein Mensch den fotografierten Platz z.B. in 15 sek. überquert, erscheint er nicht (oder nur schemenhaft) auf dem Foto. Bliebe er allerdings auf einer Stelle stehen, so wird er auch auf dem Foto zu sehen sein.
Probier es mal aus:
Suche dir z.B. einen kleinen Platz und denk dir einen Kreis, sagen wir mit 30m Durchmesser. Stelle deine Kamera wie oben beschrieben ein (z.B. 30 sek,). Nun gehst oder rennst du an der Kreislinie entlang auf die gegenüberliegende Seite. Hier bleibst du ca.15 sek. stehen und gehst/rennst wieder an der Kreislinie zur Kamera zurück. Du wirst auf dem Foto nur an der Stelle erscheinen, an der du 15 sek. verweilt hast.. der Weg dorthin bzw. von dort weg wird nicht auf dem Bild zu sehen sein !
Sonnenauf- und Untergänge
Sonnenaufgänge bzw. -untergänge gehören eigentlich nicht zum Thema „Langzeitbelichtungen. Da es aber zum Thema „Fotografieren in der Dunkelheit“ gehört, möchte ich Dir auch hierzu ein paar Tipps geben.
Nachdem sich der Tag dem Ende neigt (oder auch bevor die Sonne aufgeht), gibt es oftmals am Himmel ein farbliches Spektakel zu sehen.
Voraussetzung für stimmungsvolle Fotos ist natürlich, das man rechtzeitig vor Ort eintrifft und die Kamera mit den optimalen Einstellungen bereits griffbereit hat, denn ein Sonnenauf- oder Untergang kann verdammt kurz sein !
Häufig wird empfohlen auch „Sonnenfotos“ mit dem Stativ zu machen. Aber das ist wieder eine Sache der persönlichen Überzeugung. Ich persönlich habe die besseren Erfahrungen ohne Stativ gemacht. Das bedeutet zwar, das man hier „händisch“ darauf achten sollte, das der Horizont auch immer gerade ist (denn ein schiefer Horizont wirkt bei solchen Fotos kontraproduktiv), aber ich denke, das ist eine reine Übungssache. Vorteil der Fotografie ohne Stativ ist natürlich, dass ich den Bildstabilisator voll nutzen kann.
Den Weißabgleich stelle ich hier auf „Sonnenschein“, denn damit werden die warmen Farben noch verstärkt. Die ISO stelle ich auf den kleinsten Wert.. bei mir also 100. Die Kamera stelle ich auf die Zeitautomatik (S), d.h. ich gebe die Blende vor (meist 8-16) und lasse die Kamera die benötigte Belichtungszeit selbst wählen. Der Autofokus ist bei mir nur an, wenn ich etwas zum Fokussieren finde.. ansonsten stelle ich die Kamera auf manuellen Fokus und wähle dann „Unendlich“ auf dem Fokusring (siehe auch den Tipp unter „Blaue Stunde“).
Oftmals lohnt es sich auch nach dem Sonnenuntergang noch ein Viertelstündchen zu warten, da dann die Wolken (sofern vorhanden) wunderbar farblich angestrahlt werden !
Nachdem die Sonne dann nun endgültig untergegangen ist, ist es Zeit für die „blaue Stunde“:
Fotografieren zur blaue Stunde
Mit dem Begriff „blaue Stunde“ ist die besondere Färbung des Himmels gemeint, die während der Dämmerung nach dem Sonnenuntergang, aber noch vor Eintritt der kompletten Dunkelheit eintritt. Dabei ist die Sonne schon komplett hinter dem Horizont verschwunden. Eigentlich ist der Begriff „Stunde“ etwas verwirrend, denn meist beträgt die Zeitspanne in unseren Breitengraden lediglich 15-20 Minuten !
Für das Auge ist es eigentlich schon mehr oder weniger dunkel, durch die längeren Belichtungszeiten wird aber das vorhandene Restlicht gesammelt und belohnt die Fotos mit einem tiefen und satten Blau (vorausgesetzt, der Himmel ist nahezu Wolkenfrei).
Wer sich vorab über die Fotografie zur blauen Stunde informieren will, der kann sich über die genauen Zeiten des Sonnenuntergangs, der Sonnenrichtung, der Mondphasen und vieles mehr z.B. mit einer App informieren: http://app.photoephemeris.com/
Wem das zu kompliziert ist, der kann sich auch über den Dämmerungsrechner von Jens Koßmagk schlau machen.
Blaue Stunde richtig fotografieren
Für die richtige Umsetzung der Fotografie zur blaue Stunde sollte man ein paar Dinge beachten, denn es ist zum richtigen Zeitpunkt nur noch wenig Licht vorhanden.
Daher ist eine gewisse Vorbereitung notwendig. Du solltest dich rechtzeitig am gewünschten Ort einfinden (ruhig schon 30 Minuten früher), damit du deine Kamera/Stativ in Ruhe aufbauen und ausrichten kannst. Vergiss nicht einen evt. vorhandenen Bildstabilisator abzustellen, wenn du das Stativ nutzt !! Hilfreich ist natürlich auch ein Fernauslöser, um Verwicklungen beim Auslösen der Kamera zu vermeiden. Wer keinen Fernauslöser hat, kann das ganze auch mit dem verzögerten Selbstauslöser der Kamera umsetzen. Danach geht es an die Kameraeinstellungen.
Kameraeinstellungen „Fotografie zur blaue Stunde“
Der Autofokus wird in der Dunkelheit nicht richtig funktionieren. Daher schalte ich diesen an der Kamera (und evt. auch am Objektiv) ab. Ich stelle dann die Kamera auf „Unendlich“ (das ist das Zeichen, welches wie eine liegende 8 aussieht) bzw. ich drehe den Fokusring nicht bis zum Anschlag, denn der geht meist über „Unendlich“ hinaus, sondern bleibe mit der Markierung etwas vor „Unendlich“ stehen.
Den Weißabgleich stelle ich auf „Wolkig“. Das entspricht etwa einem Wert von 6000 Kelvin. Steht der Weißabgleich auf „Automatisch“, so versuchen manche Kameras, den Blaustich herauszurechnen.. und das ist ja nicht das, was ich will !
Wer natürlich in RAW fotografiert (und das kann ich jedem nur anraten), der kann den Weißabgleich natürlich auch später am Computer verlustfrei ändern.
Da ich die Werte wie ISO, Blende und Belichtungszeit selbst bestimmen will, steht die Kamera natürlich im manuellen Modus (M).
Die Blende wähle ich immer so zwischen 8 und 16 (Blende 16 erzeugt z.B. bei Straßenlaternen die sternförmige Korona). Den ISO-Wert belasse ich fest auf der niedrigsten Stufe, also meist bei einem Wert von 100. Die Belichtungszeit variiert natürlich immer durch die örtlichen Gegebenheiten. Ich fange meist mit 1bis 4 sec. an und arbeite mich dann an die optimale Belichtungszeit heran (teilweise bis zu 30 sec.).
Würde die optimale Belichtungszeit über 30 sec. liegen, so würde ich die ISO-Empfindlichkeit lieber verdoppeln, um die Belichtungszeit zu verkürzen. Denn bei langen Belichtungszeiten erhöht sich die Wärme des Sensors und es kann ein sogenanntes Bildrauschen auftreten.. und das vermeide ich möglichst !
Ob man mit Spiegelvorauslösung oder im Live-View-Modus arbeiten möchte, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich selbst nutze beide Möglichkeiten eher selten.
Einen besonderen Reiz machen für mich Fotos in der Nacht aus, die so mit dem bloßen Auge meist nicht und nur für ganz kurze Zeit zu sehen sind:
Das letzte Thema, das ich ansprechen möchte ist eine spezielle Art der Fotografie:
LICHTMALEREI oder LIGHTPAINTING
Was ist „Lichtmalerei“ überhaupt. Ich glaube Wikipedia beschreibt das ganz gut:
Lichtmalerei ist eine fotografische Technik aus der Langzeitbelichtung, in welcher Fotografien in der Regel bei Dunkelheit oder in abgedunkelten Räumen durch die Bewegung einer (oder mehrerer) Lichtquellen (oder durch Bewegung der Kamera) gemacht werden.
Das Bild „Ghost“ ist eine schon aufwändigere Inszenierung und ist mitten in der Nacht auf der Burg Vlotho entstanden. Zum Einsatz kam unser „Orb-Tool“, Glasfaserwedel, Lichtschläuche, ein Pixelstick und ein Totenschädel aus dem Mystik-Shop
Natürlich könnte ich einen ganzen Tag über dieses Thema referieren , aber ich möchte dir dennoch kurz anhand von Bildbeispielen einen Einblick in das Thema geben, in dem ich dir die Vorraussetzungen, die Ideen hinter den Bildern und natürlich den grundsätzlichen Kameraeinstellungen näher bringe. Doch eins nach dem anderen:
Grundsätzliches in der Lichtmalerei
Laut Wikipedia kann ich entweder Lichtquellen vor der Kamera oder die Kamera selbst bewegen. Ich beschränke mich auf ersteres ! Die Kamera steht bei meinen Kompositionen immer auf einem Stativ (und wie wir bereits gelernt haben mit einem ausgeschalteten Bildstabilisator). Auch die „Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtung“ schalte ich bei dieser Art der Fotografie generell aus, denn würde man diese Einstellung aktiviert lassen, so würde die Kamera zur Speicherung des Bildes genauso lange benötigen, wie ich belichtet habe; d.h. Belichtungszeit z.B. 30 Minuten, also auch Speicherzeit 30 Minuten = 1 Stunde „vergeudete Zeit“ !
Bevor ich ein Foto mache, steht bei mir immer erst die Bildidee. Die arbeite ich vorher aus und suche mir dann (am Tage) eine passende Location. Manchmal ist es allerdings auch umgekehrt.. ich finde während einer Fototour eine geile Location und überlege mir dann eine passende Bildidee.
Steht diese Idee, suche ich aus meinem Fundus passende Lichtquellen zusammen. Als Lichtquellen kann alles, was leuchtet, dienen. Das sind herkömmlich oder spezielle Taschenlampen, es gehen aber auch Lichtschwerter aus dem Spielzeugladen, Leuchtstäbe aus dem 1-Euro-Shop oder selbst herkömmliche Fernbedienungen, die einen Infrarotseder haben… hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Inzwischen habe ich mir viele Lichtquellen selbst gebaut oder vorhandene modifiziert..
Ein weiterer wichtiger Punkt: Lichtmalerei ist ein „Teamsport“, geht also nur mindestens zu zweit ! Denn einer muß die Kamera bedienen und der andere führt die Lichtkomposition durch !
Da die Fotos mehr oder weniger in völliger Dunkelheit entstehen (es sei denn es muß Umgebungslicht wie vorhandene Laternen o.ä. mit eingebunden werden) sind wir meist im Herbst/Frühjahr unterwegs. Denn unsere Bildideen benötigen tw. 1-2 Stunden (oder mehr), bis wir die Ergebnisse als „zufriedenstellend“ bezeichnen können. Und in den Sommermonaten wird es erst um 11 Uhr abends dunkel.. also nicht viel Zeit, bis man morgens wieder arbeiten gehen muss. Aber kommen wir zu den Kameraeinstellungen.
Kameraeinstellungen in der Lichtmalerei
Das die Kamera generell auf einem Stativ steht (welches im Dunkeln natürlich mit einer Lichtquelle kenntlich gemacht wird, damit keiner die Konstruktion aus Versehen umrennt), der Bildstabilisator und die Rauschreduzierung bei Langzeitbelichtungen ausgeschaltet ist, hatte ich ja schon erwähnt.
Die Kamera steht generell im manuellen Modus (M). Die ISO-Einstellung steht auch hier meistens auf einem Wert von 100. Die Blende wähle ich wieder zwischen 8-16. Die Belichtungszeit steht aber dieses Mal auf „B“ (Bulb); d.h. der Verschluss bleibt solange geöffnet, wie der Auslöser gedrückt wird. Daher ist hier ein Kabelfernauslöser mit arretierter Auslöse-Taste unabdingbar !
Den Fokus stelle ich ebenfalls auf Manuell, fokussiere aber vor der Aufnahme auf die Stelle, wo der Hauptakt der Lichtmalerei stattfindet. Dazu stelle ich mich an die Stelle, wo ich bei der Aufführung auch stehe und lasse mich mit einer Taschenlampe anleuchten, damit der Fotograf auf mich „scharf“ stellen kann.
Nun kann es los gehen.
Der Fotograf hält z.B. eine schwarze Pappe, einen Objektivdeckel oder einen anderen lichtundurchlässigen Gegenstand vor die Objektivlinse, löst den Fernauslöser aus und arretiert diesen. Durch die Abdeckung kommt ja noch kein Licht auf den Sensor.
„Und AUF“, dieses Kommando gebe ich, sobald ich mit der Aufführung beginne. Dabei nimmt der Fotograf das Objekt vor dem Objektiv weg.
Bin ich mit meiner Aufführung fertig, so folgt das Kommando „Und ZU“; das Objektiv wird wieder verdunkelt, der Verschluss bleibt aber weiterhin geöffnet. So habe ich die Möglichkeit, die Lichtquelle zu wechseln und ein weiteres Element dem Foto hinzuzufügen. Die beiden Kommandos wechseln so lange ab, bis ich meine Komposition komplett fertig aufgeführt habe.
Das letzte Kommando heißt dann „Und SCHLUSS“. Dann kann der Fernauslöser „entriegelt“ werden und der Verschluss geht somit wieder zu. Das Foto ist im Kasten. So können auch mal Belichtungszeiten von mehreren Minuten bis zu 30 Minuten entstehen ! Auf dem Display erscheint nun die hoffentlich perfekte Lichtmalerei !
Über Frank Upmeier
Autor dieses Artikels ist Frank Upmeier. Er arbeitet als selbständiger Fotograf und Trainer im schönen Ostwestfalen-Lippe. Seine Leidenschaft gilt u.a. der Langzeitbelichtung (BLOG / Facebook / Instagram)
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Hallo Frank,
soeben deinen Gastbeitrag studiert und stelle mal wieder fest, du bist dir wie immer absolut treu geblieben:
Daher wie gewohnt, eine klare schriftsprachliche Ausdrucksweise. Didaktisch/methodisch handlungssicher und nachvollziehbar gegliedert.
Zugleich mit praxisnahen Beispielfotos sinnvoll illustriert.
Ein wunderbar motivierender Beitrag!
Glückwunsch und
herzliche Grüße
Erhard
Vielen lieben Dank Erhard !
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