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Dokumentarische Hochzeitsfotografie

Von Wenzel Stählin

Dokumentarische Hochzeitsfotografie ist schon seit längerer Zeit überall zu sehen. Auch wenn der Begriff dem ein- oder Anderen neu erscheinen mag ist das Prinzip dahinter doch eines, das uns allen vertraut ist: Hochzeitsbildern in einem natürlichen Look, authentische, empathische Erinnerungen an den großen Tag.

Viele Brautpaare wünschen sich eine dokumentarische Hochzeitsreportage, die jeden Moment ihres großen Tages abbildet. Neben den vielen liebevoll vorbereiteten Details der Hochzeit sollen auch jene Szenen eingefangen werden, die am Rande passieren, aber ganz besonders bewahrenswert sind.

In diesem Blogbeitrag möchte ich Euch einen Einblick in die Praxis als dokumentarischer Hochzeitsfotograf geben und Euch zeigen, wie der typische Tagesablauf einer Hochzeitsreportage aussehen kann und worauf Ihr beim Fotografieren achten könnt.

Der Fotograf als teilnehmender Beobachter

Die Dokumentarfotografie versucht, die Welt zu zeigen wie sie ist. Mit der Frage, ob das überhaupt möglich ist und welche Rolle dem Fotografen dabei zukommt, lassen sich ganze Bücher füllen! Mir genügt in diesem Beitrag die Feststellung, dass ein dokumentarisch arbeitender Fotograf versucht, ein Bilddokument zu erstellen, in dem er Fotos von dem macht, was er beobachtet. Er versucht eher nicht, Szenen nicht künstlich herzustellen oder zu stark zu manipulieren, sondern verlässt sich auf seine Beobachtungsgabe.

Auf einer Hochzeit nimmt er oder sie dabei idealerweise die Rolle eines teilnehmenden Beobachters ein, der sich unter die Gäste mischt und mit der Kamera das Fest begleitet. Das ermöglicht ihm oder ihr,  zu einem Teil der Festgesellschaft zu werden, statt als Fremdkörper aufzutreten.

Der Vorteil liegt auf der Hand: Gäste, die sich nicht gestört fühlen, agieren viel freier und ungezwungener vor der Kamera und nehmen diese irgendwann gar nicht mehr wahr. So entstehen empathische Portraits und feinfühlige Bilder.

Der Meister des “richtigen Moments”, Henri Cartier-Bresson schrieb dazu:

„Man nähert sich auf leisen Sohlen, auch wenn es sich um ein Stillleben handelt. Auf Samtpfoten muss man gehen und ein scharfes Auge haben. (…) Kein Blitzlicht, das versteht sich wohl, aus Rücksicht vor dem Licht, selbst wenn es dunkel ist. Andernfalls wird der Photograph unerträglich aggressiv. Das Handwerk hängt stark von den Beziehungen ab, die man mit den Menschen herstellen kann. Ein Wort kann alles verderben, alle verkrampfen und machen dicht.“

Das mit dem Blitzlicht ist sicherlich nicht immer möglich. Trotzdem: wer empathisch und unaufdringlich vorgeht wird mit Bildern belohnt, die ganz nah am Geschehen sind.

Das spannende an einer Hochzeitsreportage sind die verschiedenen Zutaten, die alle zusammengenommen ein gelungenes Gesamtpaket bilden.

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Bildstile und Bildgattungen

Hochzeitsreportagen können verschiedene Bildstile und Genres vereinen. Dazu gehören etwa:

  • Stimmungsvolle Architekturaufnahmen der location
  • Stilleben, die die Dekoration sowie das Menü zeigen können
  • Modeaufnahmen von Kleid, Anzug und Schmuck
  • Landschaftsaufnahmen der Umgebung
  • Portraits von Freunden und Familie
  • Paarbilder
  • dokumentarische Aufnahmen der Gäste und der Feier

In der Kombination ergeben diese Bilder dann eine stimmige Reportage, die jedes Detail des Tages beleuchtet. Die unterschiedlichen Bildstile ergänzen sich dabei sehr gut und lassen sich z.B perfekt in einem Buch präsentieren. Einige “Klassiker” der Hochzeitsreportage geben Eurer Bildstrecke den richtigen Spannungsbogen:

Must haves- klassische Bestandteile einer Hochzeitsreportage

Es gibt einige feste Programmpunkte, die sich als Storyline durch den Tag ziehen und in keiner Hochzeitsreportage fehlen sollten: Sie geben Eurer Bildstrecke Struktur und einen Spannungsbogen. Im Folgenden will ich die wichtigsten Programmpunkte einer Hochzeitsreportage vorstellen:

flat lays – Stilleben:

Flat lays sind Stilleben. in dem Schuhe, Schmuck, Parfum, Blumen und Einladungskarte Bild die Hauptrolle spielen. Wie der Name schon sagt, werden diese Elemente flach auf einem Tisch oder Boden arrangiert und von oben aufgenommen. In Flat lays stehen jene Detail im Mittelpunkt, denen Brautpaare oft große Aufmerksamkeit widmen, aber in Bildern sonst oft untergehen.

Das könnt Ihr hier ändern! Ausgewählte Papeterie, ein besonderes Farbkonzept oder ein besonderes Erbstück kommen hier voll zur Geltung und können von Euch gut in Szene gesetzt werden. Flat lays können der erste Programmpunkt Eures Shooting Tages sein. Fotograf und Brautpaar lernen sich dabei kennenlernen, ohne dass schon jemand vor der Kamera stehen muss.

Getting ready

Das getting ready ist ein absoluter Klassiker der Hochzeitsreportage: Kein Bild verkörpert den Reportage Charakter der Bildstrecke in meinen Augen besser. Ihr begleitet, wie der Titel schon verspricht, Braut und Bräutigam bei Ihren Vorbereitungen für den Großen Moment. Styling, Make-Up, Schmuck und der erste Prosecco mit den Trauzeugen stehen dabei im Vordergrund.

Der besondere Reiz besteht in der nervösen Vorfreude und der sichtbaren Konzentration des Brautpaares, die sich in Euren Bilder zeigen. Achtet dabei auf gutes Licht und ausreichend Platz. Neben Braut und Bräutigam könnt Ihr super die Szenerie einbeziehen: Hotelzimmer oder Friseursalon, das vorbereitete Brautkleid, zurechtgelegte Blumen.

First look

Der First look ist ein inszenierter Programmpunkt, der trotzdem perfekt in jede dokumentarische Hochzeitsreportage passt. Dabei sieht der Bräutigam seine Braut zum ersten mal im Hochzeitskleid! Das Schöne an diesem Programmpunkt ist, dass Ihr als Fotografen sehr dankbare Bilder bekommt.

Obwohl der Ablauf völlig klar ist und die Situation quasi “nur” für das Foto hergestellt wurde, sind die Emotionen garantiert echt und Ihr müsst “nur” im richtigen Moment auslösen. Ihr positioniert Euch so, dass Ihr den Ausdruck des Bräutigams einfangen könnt, wenn seine Braut ihm zum ersten mal gegenüber tritt!

Falls genug Zeit ist, kann man das Szenario noch variieren und ein extra “first look” mit dem Brautvater oder beiden Brauteltern inszenieren.

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Paarshooting

Falls es der Zeitplan hergibt, finde ich es ideal, nach dem “First look” direkt zum Paarshooting aufzubrechen. Im Sinne einer dokumentarischen Hochzeitsfotografie solltet Ihr dem Paarshooting eine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen.

Hier gilt es, die Balance zwischen einer notwendigen Inszenierung und einer natürlichen Bildwirkung zu finden. Der Schlüssel dazu liegt in der Bewegung und im Vermeiden zu statischer Posen. Meiner Meinung nach bietet sich dafür am Besten ein Spaziergang an! Ihr könnt dem Shooting von vornherein eine Street-photography Note geben, die den dokumentarischen Style sehr schön unterstreicht.

Ihr solltet im Vorfeld eine schöne Route geplant haben und einige Stellen herausgesucht haben, an denen Ihr fotografieren wollt. Es bietet sich an, Trauzeugen mit zum Paarshooting zu nehmen. Diese haben die Aufgabe, Braut und Bräutigam zu unterhalten und die gesamte Situation zusätzlich aufzulockern.

Bewegung

Am Besten gelingen natürliche Paarbilder durch Bewegung. Egal ob Ihr das Brautpaar an einer besonderen Stelle auf Euch zulaufen lasst oder während des Spaziergangs fotografiert, Bewegung ist der Schlüssel!

Eine sehr schöne Handlungsanweisung an Euer Brautpaar ist der sogenannte “hip bump”: Dabei läuft das Brautpaar auf die Kamera zu und soll dabei immer wieder versuchen, sich mit den Hüften zu berühren. Was erstmal übertrieben klingt, bringt eine super Bewegung ins Bild und garantiert auch eine lustige und gelöste Stimmung die Ihr sofort in Euren Bildern sehen werdet.

Pausen

Pausen zwischen den Programmpunkten (wie z.B ein Kuchenessen) könnt Ihr nutzen, um Details der Dekoration, sowie Architektur und Landschaft aufzunehmen. Auch wenn Ihr im Moment des Fotografierens eine Architekturaufnahme oft gar nicht so wichtig findet: Nehmt jedes Bild mit, dass Ihr bekommen könnt!

Beim Zusammenstellen Eurer Bildstrecke hinterher sind es dann besonders solche Bilder, die einen guten Rhythmus in Eurer Erzählung ermöglichen.

Fazit:

Eine gute Hochzeitsreportage lebt von einer lebendigen Mischung unterschiedlicher Bildgattungen. Ich rate jedem dazu, in das Fest einzutauchen und mit einem wachen Blick und “Samtpfoten” all den kleinen Szenen und Details am Rande Aufmerksamkeit zu widmen.

Feste, planbare Eckpunkte geben Eurer Reportage ein Gerüst und festen Rahmen, den Ihr ausschmücken und ergänzen könnt. Ihr könnt Farbbilder mit SchwarzWeiß Aufnahmen abwechseln um zusätzlich einen Rhythmus in die Bildstrecke zu bekommen.

Viel Spaß und viel Erfolg!

Über Wenzel Stählin

Wenzel von Umami Weddings hat sich auf dokumentarische Hochzeitsreportagen und ein modernes visuelles Storytelling von Hochzeiten spezialisiert. Sein junges Studio aus Leipzig arbeitet deutschlandweit und international.

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1 Kommentar zu „Dokumentarische Hochzeitsfotografie“

  1. Vielleicht bechäftigen wir uns zuviel mit Technik, Kamera, Bildausschnit usw.
    Das ist natürlich wichtig, aber ich finde den Ansatz sehr gut: in das Fest eintauchen!
    Sei Fotograf, aber auch ein Teil des Festes. Gelingt eben nicht immer, aber ich versuche es!

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