Portrait mit Sommersprossen

Von Georg Banek

Motiv

»Porträts stehen und fallen mit dem abgebildeten Modell!« – Wäre dieser Gedanke ein Garant für gute Aufnahmen, würde es genügen, einen schönen Menschen vor die Kamera zu bitten. Doch ganz so einfach ist es nicht, da in jedem Porträt auch viel von der Person hinter der Kamera steckt: Wer fotografiert und warum? Wie verhält sich derjenige gegenüber dem Modell und wie ist die Beziehung zwischen den beiden? Erst wenn der Fotograf es schafft, etwas Besonderes in einem Menschen zu sehen, und gleichzeitig eine vertrauensvolle Atmosphäre erzeugt, in der sich das Modell wohl fühlt, sind ausdrucksstarke Bilder möglich.

Bei diesem Gesichtsporträt stehen neben der ungewöhnlichen Attraktivität des Modells vor allem sein direkter Blick und sehr eindringlicher Ausdruck im Mittelpunkt. Der Betrachter spürt eine Nähe und Intimität, als würde er die Frau auf dem Bild bereits lange kennen. Die nackten Schultern vermitteln dabei eine kleine Randnote von Erotik, die jedoch durch ihren freundlichen, aber auch etwas geheimnisvollreservierten Blick wieder eingefangen wird.

Die Kombination aus Sommersprossen, roten Haaren und diesem starken Blick sichert dem Bild einen hohen Aufmerksamkeitswert.

Bildgestaltung

Die vielen Sommersprossen lockern das Gesicht auf und vermeiden, dass Stirn, Wangen und Kinn eine einheitliche und optisch dominante Fläche bilden. Dadurch lenkt nichts von den Augen ab und der Blick wird intensiviert. Verstärkt wird das durch die Farben im Bild: Das vorherrschende Orangerot wirkt warm und weiblich, durch seine starke Leuchtkraft aber auch sehr lebendig. Die leuchtend blauen Augen bilden dazu einen sehr starken Kontrast und schaffen allein durch ihre Farbe eine kühle Distanz zum Betrachter – trotz des freundlichen Ausdrucks. Die Intimität des Bildes wird durch den engen Ausschnitt unterstrichen und seine Ungewöhnlichkeit durch den Anschnitt gleichermaßen betont, wie Stirn und Haare in ihrer Dominanz reduziert werden.

Technik

situation-2Das Bild entstand mit meiner damals klassischen Porträttechnik, einem 85-mm-Objektiv und zwei Dauerlichtlampen mit sehr großen Softboxen. Etwas ungewöhnlich war jedoch der Einsatz einer dieser Softboxen als Hintergrund, wodurch die Umgebung – unser Wohnzimmer – für die Aufnahme unwichtig wird und eher an eine Studioatmosphäre erinnert.

Technische Daten: Canon EOS 5D, Canon EF 85 mm/1,8, Blende 3,2, 1/320 Sekunde, ISO 200, Hedler Dauerlicht

Licht

Für die weiche Gegenlichtästhetik diente mir eine 90 x 90-cm-Softbox als Hintergrund, deren diffuses Licht das Gesicht des Modells geradezu umfließt. Von vorne kam eine weitere Softbox derselben Größe zum Einsatz, die, genauso hell, den Kontrast deutlich reduzieren konnte. Mittels einer Spotmessung habe ich die Belichtung auf dem Gesicht richtig gemessen. Bearbeitung (RAW). Der Warm-Kalt-Kontrast wurde durch eine Farbkorrektur verstärkt und die Augen betont, ohne dabei die Hauttöne zu verschieben. Es wurde relativ hell aus dem RAW entwickelt, um die Farben zusätzlich zum Leuchten zu bringen. Außerdem wurde der Gesamtkontrast deutlich erhöht.

Portrait mit Sommersprossen

Aus dem Buch

Cora Banek / Georg Banek
Sehen lernen
Die visuelle Fotoschule für stimmig komponierte Bilder
34,90 Euro(D) / 35,90 Euro(A)
334 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband
ISBN: 978-3-86490-186-7
dpunkt.verlag

7 Kommentare zu „Portrait mit Sommersprossen“

  1. @Oliver…dem kann ich mich nur anschließen…wir haben mal ein Fotoshooting zur Geburt geschenkt bekommen. Als wir die Bilder vom Fotografen bekommen haben, mussten wir diese reklamieren und der Fotograf war völlig unvorbereitet, denn wir wollten unsere Falten und Augenringe zurück 🙂 Wie soll etwas einen Lebensabschnitt dokumentieren, wenn alle wichtigen Details aus dem Gesicht genommen werden. Bisher hatte ich noch keinen Kunden, der unbedingt sein Porzellangesicht haben wollte.
    @Bild…das wirkt wirklich gut und mich würde jetzt doch etwas interessieren. Wenn man liest „damals klassischen Porträttechnik“ fragt man sich unweigerlich, was daran falsch sein soll. Es klingt in diesem Fall wie eine Entschuldigung oder ein „heute arbeite ich professioneller, aber bitte seht es mir nach“. Die Technik ist interessant zu wissen, aber deren Anteil am Bild wird meiner Meinung überschätzt, hier spielt der Fotograf die wichtigste Rolle, was Sie ja sehr plastisch beschreiben. Wie würden Sie denn das klasse Bild heute machen?

  2. Sehr schöne Arbeit Georg :-). Der Ausdruck ist perfekt eingefangen und die Sommersprossen sind einfach spitze.

    @Oliver: Ich kann mit der Unsitte des Haut-Weichzeichnes auch nichts anfangen. Geht zwar schnell aber das Ergebnis ist nicht wirklich toll. Wenn ich für einen Kunden eine Retusche durchführen soll, dann behutsam und rein manuell. Dauert dann zwar etwas, aber das Ergebnis wirkt echter und lebendiger.

  3. Das Bild hat eine tolle Wirkung auf den Betrachter. Es ist so perfekt gelungen, aber doch so anders als die sonst üblichen Aufnahmen eines Modells. Natürliche Perfektion, so lässt sich das Motiv wohl am besten beschreiben. Darin erkennen sich die Menschen eher wieder als in tausendfach kaschierten Bildern von Menschen ohne Makel.

  4. Also ich finde das Portrait bezaubernd. Das Modell ist keine klassische Schönheit, aber das „Alleinstellungsmerkmal“ wurde fantastisch heraus gearbeitet. Der Bildausschnitt ist auch gut und erfrischend gewählt, allerdings für meinen Geschmack auf der linken Seite etwas zu stark geschnitten. Die Augenbraue hätte ruhig mit auf dem Bild bleiben können;-) VG Hendrik

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen