Von Nadine Wilmanns
Erinnerst du dich an die letzten Tage, bevor dein persönlicher Corona-Lockdown kam? Ich kann mich ganz genau daran erinnern und an die Bilder, die ich an den zwei, drei Tagen gemacht habe. Ich hatte ein eigenartiges Gefühl, saß im Café und habe bereits morgens die Schlagzeilen vom ersten Corona-Todesfall in England gelesen (ich war zu dem Zeitpunkt gerade in London). Irgendwie habe ich an diesen Tagen tiefer geatmet und alle Freiheit und Luft in mich aufgesaugt. Und ich habe noch mehr als sonst fotografiert.
Bei aller Seltsamkeit der Situation wusste ich, dass ich zumindest immer alles mit meiner Kamera dokumentieren kann. Dass ich nicht passiv abwarten muss, sondern aktiv den Fokus auf etwas lenken kann. Das hat mir zumindest ein bisschen das Gefühl von Kontrolle gegeben und gleichzeitig eine kreative Herausforderung.
Tatsächlich sollte sich ja schnell herausstellen, dass die Herausforderung vor allem darin bestand, das zu-Hause-Sein zu dokumentieren. Da hat es mir mehr denn je geholfen, das, was ist, zu fotografieren. Auch wenn das nicht viel war – ich war ja bloß zu Hause – in meinem Kopf war ziemlich viel los und irgendwie wollte ich dafür Ausdruck finden.
Und ehrlich: Je eingeschränkter man dabei ist, desto herausfordernder, desto mehr gibt`s zu lernen. Ich habe immer wieder Fotografen beobachtet, die im Verlauf ihrer „Ein-Bild-für-jeden-Tag-Projekte“ nicht nur etwas Besonderes aufgenommen haben, sondern auch viel sensibler für das Gewöhnliche geworden sind.
Irgendwo habe ich mal von einem Mann gelesen, der aus gesundheitlichen Gründen nicht sehr mobil war, aber täglich mit seiner Kamera einen kleinen Spaziergang um seinen Block gemacht hat. Vermutlich hatte er nicht jeden Tag DEN Shot. Aber weil er drangeblieben ist und täglich auf`s Neue das Besondere auf seiner Alltagsstrecke gesucht hat, hat er immer mehr gesehen.
Weißt du wann das Licht auf deiner Spüle am besten ist? Seit Corona weiß ich das – und ich habe auch bemerkt, wie sich das geändert hat, als mein Freund mit Holz-Paneelen einen Teil des Fensters blockiert hat. Zum Glück habe ich damals nicht gewusst, dass ich jetzt, kurz vor Weihnachten und inzwischen in Deutschland, immer noch von Corona sprechen würde. Ich habe versucht, jeden Tag für sich zu nehmen und meinen Hero-Shot des Tages zu landen.
Abends vor dem Schlafengehen habe ich mich auf meine persönlichen „Bilder des Tages“ gefreut, die ich dann auf mein Handy geladen habe. Das war mein Ansporn – wer kennt nicht dieses Glücksgefühl, beim Durchschauen ab und zu ein Bild zu finden, das er richtig gern mag. (Und dabei meine ich nicht technische Perfektion, sondern, ob das Bild Ausdruck hat und ein Gefühl auslöst – aber das ist ein anderes Thema.)
Als Fotografin will ich in meiner Bildsprache immer besser werden und nie stehen bleiben. Und manchmal eröffnet ein komischer Umstand überraschende Möglichkeiten zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Gerade Zeiten der Einschränkung bieten sich an, nach unserem Hero-Shot des Tages Ausschau zu halten. Und von der Möglichkeit auszugehen, dass die langweiligsten, blödesten, schwierigsten Situationen zumindest fotografisch zum Moment des Tages werden könnten.
Ich kann dir sehr empfehlen, das mal auszuprobieren. Gerade wenn man nicht so gut drauf ist, fühlt es sich vielleicht erstmal nach Anstrengung an, die Kamera in die Hand zu nehmen. Aber schon nach kurzer Zeit wird es zum Selbstläufer werden und du wirst dich drauf freuen, mit deinem persönlichen zu-Hause-Projekt weiterzukommen.
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- duChemin, David (Autor)
* Amazon Links sind Werbelinks, letzte Aktualisierung am 2024-11-08
Über mich:
Ich heiße Nadine Wilmanns und arbeite als freiberufliche Journalistin und Fotografin.
Auch wenn ich nicht für einen Auftraggeber unterwegs bin, trage ich eigentlich immer eine Kamera mit mir rum. Selbst für die Gassi-Runde mit dem Hund habe ich meistens zumindest eine kleine Kompakte einstecken. Auch wenn in der Regel nichts Besonderes ist, macht mir das immer noch die Erwartungsfreude „Es könnte ja…“.
Auf meinem Blog www.nadinewilmanns.com schreibe ich über Fotografie und Kreativität.
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