Oldtimerfotografie MB 300SL

Oldtimerfotografie im Automuseum Dr. Carl Benz

Oldtimerfotografie: Tagsüber allein im Automuseum

Von Torsten Krebs

Der Moment war episch und surreal zugleich. Samstagnachmittag, 14:13 Uhr, ein sonniger, aber kalter Februartag. Der Schlüssel dreht sich im Schloss, die Tür öffnet sich. Mir steigt ein bekannter und geliebter Geruch von altem Leder, Blech und Gummi in die Nase.

Und dann erhasche ich den ersten Blick. Der Patent Motorwagen VELO von 1898 fällt mir zuerst ins Auge und erinnert mich daran, dass ich hier die Meilensteine der Automobilgeschichte vor mir habe. Hier hat er selbst gearbeitet, der Erfinder des Automobils. In den Hallen der historischen Benz Fabrik in Ladenburg.

Ich trete zusammen mit meinem Assistenten Matthias ein und es wirkt fast wie immer; das Sonnenlicht durchflutet das großzügige Gebäude und über hundert Zeitzeugen der automobilen Vergangenheit warten auf ihre Bewunderung. Aber etwas ist anders. Es ist ungewöhnlich kalt im Automuseum Dr. Carl Benz. Und… ungewöhnlich ruhig. Die Besucher fehlen. An einem Samstagmittag. Es ist „Corona“.

Das Automuseum Dr. Carl Benz in Ladenburg

Winfried A. Seidel, der Inhaber des Museums ermöglicht uns dieses einmalige Erlebnis tagsüber allein im Museum die Traumautos unserer Großeltern zu fotografieren. Er begleitet uns die ersten Minuten, zeigt uns die Ausstellungsbereiche, macht uns Licht, wo wir welches brauchen und geht. Jetzt sind wir wirklich allein. Ein bisschen fühle ich mich wieder wie damals als kleiner Junge, als ich das erste Mal in einem Toys R Us stand: einfach nur überwältigt.

Motivwahl für die Oldtimerfotografie

Wir drehen erst einmal eine Runde durch das Museum und widmen uns der schwierigsten Aufgabe des Tages: wir müssen eine Auswahl treffen. Ich deute spontan ca. 10 Fahrzeuge heraus, die ich unbedingt vor der Linse haben möchte; Matthias hat noch ein paar zusätzliche Favoriten. Vollkommen unrealistisch wie sich später herausstellt.

Dennoch gehen wir voller Tatendrang an unser erstes Fahrzeug. Ein C. Benz Söhne 8/25 Wagen aus der Ladenburger Fabrik von 1924. Der Wagen hatte eine bewegte Vergangenheit, wurde zwischendurch zu einem Klein-LKW umgebaut. Nur dem Engagement von Herrn Seidel ist es zu verdanken, dass der Wagen in über 3.000 Arbeitsstunden wieder in seine ursprüngliche Form zurückgebaut werden konnte und jetzt wieder an seinem „Geburtsort“ in alter Schönheit erstrahlt. Der Wagen hat es verdient portraitiert zu werden. So viele fotogene Details. Einfach aber sexy, wie ich finde. Ich könnte an dem Fahrzeug allein den restlichen Tag verbringen, aber ich wähle gerade mal zwei Perspektiven für die ersten Fahrzeugportraits. Wir haben noch viel vor.

Oldtimerfotografie
C. Benz Söhne 8/25

Wir wechseln das Jahrzehnt. Ein Mercedes Benz 230 W 143, Baujahr 1936. Er wird „Sonnenschein-Limousine“ genannt. Wie passend denke ich. Genau der Sonnenschein macht uns gerade das Leben an diesem Fahrzeug schwer. Durch die großen Fenster der Fabrik scheinen die Sonnenstrahlen auf den Wagen und die Rahmen spiegeln sich unschön im schwarzen Lack. Auf Zehenspitzen balancierend versucht Matthias die Strahlen mit einem großen Reflektor zu bändigen. Mit Erfolg. Klick. Szenenwechsel.

Oldtimerfotografie: Mercedes Benz 300 SL Roadster

Wir nähern uns mit dem kompletten Equipment dem Highlight des heutigen Tages. Allerdings ohne es zu wissen. Ein knallroter 300 SL Roadster. 6 Zylinder, 2.996 ccm, 215 PS.

Unschuldig steht er da und lässt das darauffolgende Prozedere über sich ergehen: Blitze aufbauen, Softboxen ausrichten, Reflektionen bändigen. Dann das übliche Bodenturnen, um den richtigen Winkel zu finden. Der seitliche Luftauslass hat es mir angetan.

Ein Shot, noch einer, Licht anders, noch einer. Nach einer gefühlten Ewigkeit lassen wir von dem Schmuckstück ab und bereiten gerade die Blitzanlage für einen erneuten Umzug vor, als Herr Seidel vorbeikommt, um nach dem Rechten schauen. „Der Wagen ist teurer als Sie denken.“ erläutert er uns trocken. Ich überschlage schnell im Kopf und tippe auf Ende sechsstellig. Weit gefehlt. Es handelt sich bei dem Schätzchen um eine sogenannte 0-Serie, ein Vorserienfahrzeug mit Rennsportvergangenheit. Im Übrigen eine Leihgabe des Besitzers, der den Wagen aktuell verkaufen möchte. „Der Schätzwert ist weit höher als gedacht“ erwidert Herr Seidel und wir können nur erahnen wie „weit“… Nachdem sich unsere weichen Knie wieder gefangen haben, entfernen wir uns voller Ehrfurcht und bringen die Lampenstative außer Reichweite der rollenden Kostbarkeit.

Oldtimerfotografie MB 300SL
Mercedes Benz 300 SL
Mercedes Benz 300 SL
Mercedes Benz 300 SL

Die Zeit rennt. Konzentration, Kreativität und Tageslicht neigen sich dem Ende zu. Wir schaffen noch zwei weitere Fahrzeuge. Beide entstammen eigentlich nicht der berühmten Carl-Benz-Schmiede. Nach der Feststellung, dass auch Fremdmarken im Museum stehen, bin ich etwas erleichtert. Haben wir doch die Dreistigkeit besessen, direkt vor dem überdimensionalen Mercedes-Stern auf dem Hof des Museums mit dem Fahrzeug eines motivierten Marktbegleiters aus Ingolstadt zu parken.

Schnell lichten wir also noch die Rennversion des Porsche Modell 356 aus dem Jahre 1955 sowie den Ford Cagle A. Spezial Midget-Rennwagen aus 1929 ab. Mittlerweile ist es in den heiligen Hallen stockdunkel geworden und wir bewegen uns nur noch mit Taschenlampen und äußerster Vorsicht. Bloß weit vom 300 SL wegbleiben.

Oldtimerfotografie Porsche
Porsche Modell 356

Wir tragen langsam das ganze Equipment Richtung Ausgang, als wir uns dem langen Gang Richtung Empfang nähern. Malerisch beleuchtet die gute alte Glühbirne den historischen Empfangsbereich. Wir schauen uns an… sollen wir noch? Wann, wenn nicht jetzt, also los! Ein letztes Aufbäumen. Wir können jetzt nicht einfach gehen, ohne das Museum noch in der nächtlichen Stimmung einzufangen. Wann werden wir jemals wieder so eine Möglichkeit haben? Also versuchen wir noch einen letzten Shot vom gesamten Museum und packen dann schließlich um 20:45 Uhr zusammen.

Automuseum Dr. Carl Benz in Ladenburg
Automuseum Dr. Carl Benz in Ladenburg

Wir sind müde, zufrieden aber ein bisschen enttäuscht, dass der Tag schon wieder rum ist. Die Zeit ist an uns vorbeigerauscht und wir hätten locker noch eine Woche in den beeindruckenden Fabrikhallen verbringen können. Trotzdem hat es unfassbar viel Spaß gemacht und irgendwie können wir der Pandemie jetzt doch noch eine klitzekleine positive Seite abgewinnen.

Zu verdanken haben wir das aber letztlich Winfried A. Seidel, der über die Jahrzehnte eine einmalige Sammlung zusammengetragen und uns das Vertrauen geschenkt hat, uns frei in seinem liebevoll aufgebauten Museum zu bewegen. Wir senden auf dem Wege noch einmal ein riesiges Dankeschön an Herrn Seidel und legen jedem Leser nach den Beschränkungen einen Besuch in diesem einmaligen Fleckchen gelebter Automobilgeschichte nahe. Tagsüber.

Über das Team

Torsten Krebs

Torsten Krebs im Automuseum Dr. Carl Benz
Torsten Krebs im Automuseum Dr. Carl Benz

Webadresse: https://torstenkrebs.com
Instagram: @torstenkrebs_com

Geboren 1978, fotografiert seit seinem neunten Lebensjahr. Im Jahre 2013 hat er die Fotografie mit seiner zweiten Leidenschaft, den klassischen Fahrzeugen kombiniert und die Firma P-Arts gegründet. Mit seinen Automobilportraits konnte er bereits internationalen Wettbewerbserfolge erzielen. Hochwertige Kalender und großformatige Prints sind die Lieblinge seiner Kunden.

Matthias Schuler

Instagram: @schuler.ma

Geboren, 1965, fotografiert seit 1994. Nach längerer Pause hat er im Jahr 2015 die digitale Fotografie neu für sich entdeckt und beschäftigt sich seither hauptsächlich mit der Landschaftsfotografie. Ihm liegt dabei vor allem die Region des hohen Odenwalds am Herzen in der er auch bereits in der Wettbewerbsfotografie erfolgreich war.

Die Location

Automuseum Dr. Carl Benz

Ilvesheimer Straße 26
68526 Ladenburg

Web: www.automuseum-ladenburg.de

E-Mail: info@automuseum-ladenburg.de
Tel: 06203 181786

1 Kommentar zu „Oldtimerfotografie im Automuseum Dr. Carl Benz“

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