Heiko Kalweit ist Fotograf aus Dortmund und hat sich auf die Vintage-Fotografie spezialisiert. Ich habe ihn bereits vor einigen Jahren kennengelernt und bin von der Zielstrebigkeit beeindruckt, mit der er sein Herzensthema „Vintage-Fotografie“ verfolgt.
Daher habe ich mich sehr gefreut, dass er auf meine Anfrage nach einem Interview sofort zugesagt hat.
Heiko, wie bist du zur Vintage-Fotografie gekommen?
Um ehrlich zu sein, das verdanke ich einem glücklichen Zufall. Bevor ich mich vor drei Jahren als freier Fotograf selbstständig gemacht habe, war ich als Text- und Fotoredakteur bei einer Berliner Agentur angestellt.
Im Anschluss an Redaktionssitzungen – ich arbeitete damals von Dortmund aus – habe ich oft einen Tag für private Aktivitäten angehängt. So auch am 24. Mai 2008. Für diesen Samstag hatte ich mit einem Berliner Model ein Porträt-Shooting an der Oberbaumbrücke ausgemacht. Das ist eine alte, recht bekannte Brücke an der East Side Gallery.
Ich staunte nicht schlecht, als die junge Frau in einem wunderschönen, himmelblauen Leinenkleid auftauchte.
Damals hatte ich kaum bis keine Ahnung von Vintage-Mode, aber dennoch war mir gleich aufgefallen, dass das Kleid aus keiner zeitgenössischen Kollektion stammen konnte. Daher fragte ich sie, was es damit auf sich hatte. Sie erzählte mir, dass es ihrer Oma gehört habe, die es in den 40er-Jahren gekauft hat.
Von dem Kleid, die Art wie sie ihre Haare zurecht gemacht hatte, wie sie geschminkt war – kurz: von ihrem gesamten eleganten Auftreten – war ich so begeistert, dass es meine Leidenschaft für die Vintage-Fotografie entfachte.
Erstaunlich, dass ein Sommerkleid, Make-up und etwas Hairstyling einen so großen und nachhaltigen Einfluss auf deine Fotografie genommen haben.
Da hast du recht. Jetzt, da wir darüber sprechen, wundere ich mich selbst. Vermutlich schlummerte der Wunsch Vintage-Fotos zu machen, schon länger in mir, ohne dass ich mir dessen bewusst war.
Ich habe immer schon gerne alte „Schinken“ mit James Stewart, Katharine Hepburn und Heinz Rühmann sowie Tanzfilme mit Fred Astair, Gene Kelly und Ginger Rogers gesehen. Ich mag und mochte immer diese zumeist schlichte Eleganz, die die Schauspieler ausstrahlten. Klasse finde ich auch schon seit langem die Swing-Musik der 40er-Jahre und die Songs von Dean Martin.
Ich glaube das Erlebnis an der Oberbaum-Brücke war so etwas wie der Stein, der alles ins Rollen brachte.
Du zeigst zum Beispiel auf deiner Homepage oder bei Instagram Fotos von vielen unterschiedlichen Frauen in Vintage-Kleidung. Wie lernst du sie kennen?
Um in der Vintage-Fotografie mein Portfolio aufzubauen, habe ich in den ersten Jahren über die Modelkartei Kontakte geknüpft. Inzwischen mache ich das hauptsächlich über Facebook.
Fotografierst du die Fotomodelle nur zu deinem Privatvergnügen?
Nein, meine Leidenschaft für die Vintage-Fotografie ist zwar aus meinem Privatvergnügen hervorgegangen. Sie ist aber inzwischen neben der Hochzeits- und Business-Fotografie zu meinem dritten beruflichen Standbein als freier Fotograf geworden. Models fotografiere ich nur, um eigene private Projekte umzusetzen und um mein Portfolio lebendig zu halten.
Wer bucht bei dir ein Vintage-Shooting?
Hauptsächlich sind es Frauen, die großen Spaß an den 20er- bis 60er-Jahren haben und sich entsprechend kleiden.
Einmal im Jahr fahre ich nach Hamburg. Dort findet regelmäßig die Swing-Musik-Veranstaltung „Golden Renaissance“ statt. Ich baue dort ein mobiles Fotostudio auf und fotografiere die Gäste.
Im vergangenen Jahr habe ich für einen süddeutschen Hersteller von Brillen eine Vintage-Kollektion fotografiert. Und immer wieder mal fotografiere ich für das Lifestyle-Magazin „Vintage Flaneur“ mehrseitige Editorial-Strecken.
Auf deiner Homepage habe ich den Claim „fotografische Zeitreisen“ gelesen. Besitzt du eine Zeitmaschine?
Das wäre schön. 😉
Nein, im Ernst, damit beschreibe ich meine Vintage-Fotografie. Mit meinen Shootings und Bildern kreiere ich Illusionen und Fantasien von Reisen in ein anderes Jahrzehnt.
Daher fotografiere ich nicht im Studio, sondern outdoor und in speziellen Indoor-Locations. Über die Jahre habe ich viele schöne Orte entdeckt, die die authentische Atmosphäre vergangener Jahrzehnte ausstrahlen. Darunter sogar die ehemalige Berliner Wohnung des Stummfilm-Stars Asta Nielsen. Sie ist heute ein Vintage-Hotel.
Die alten Location benutze ich als Kulisse. Erfahrene Visas, die sich auf Vintage-Make-up und Hairstyling verstehen, machen meine Kundinnen zurecht. Eine Stylistin, mit der ich eng zusammenarbeite, leiht mir bei Bedarf alte Originalkleider.
Inzwischen habe ich auch ein kleines Netzwerk von Oldtimer-Besitzern, die mir ihr Auto für Shootings zur Verfügung stellen.
Alte Ausgaben des Life-Magazines, Koffer und viele andere Requisiten runden die Illusion der Zeitreise ab.
So entstehen in den Shootings nicht nur Bilder von Menschen, sondern Geschichten in Form von Fotos.
Du bist in den sozialen Medien unterwegs. Welche nutzt du am liebsten?
Ganz klar Instagram. Auch wenn ich erst knapp 400 Follower habe, knüpfe ich hier die interessantesten Kontakte. So hat mich und meine Fotografie zum Beispiel Anfang des Jahres das US-amerikanische Magazin „Pinup Industry“ (www.pinupindustry.com) in einem dreiseitigen Interview vorgestellt.
Ein besonderes Highlight hatte ich Mitte dieses Jahres: Das US-amerikanische Vintage-Magazin Stalletto ist ebenfalls über Instagram auf mich aufmerksam geworden und hat mich mit einem mehrseitigen Editorial-Shooting für die Herbstausgabe beauftragt.
Was sind deine Pläne für das kommende Jahr?
Natürlich viele Vintage-Shootings. Im Februar geht es wieder zum „Golden Renaissance“ nach Hamburg. Im August werde ich mich wie in diesem Jahr wieder auf den „Classic Days“ am Schloß Dyck mit einem Stand präsentieren. Das ist eine große, mehrtägige Oldtimer-Veranstaltung im nordrhein-westfälischen Jüchen.
Und im Oktober werde ich in Dortmund einen Vintage-Workshop veranstalten. Interessierte Fotografen werden auf dem Gelände der Zeche Zollern die Möglichkeit erhalten, in einer tollen, alten Industrie-Umgebung erfahrene Vintage-Models zu fotografieren. Selbstverständlich tragen die Models entsprechende Kleidung und werden entsprechend gestylt. Der Workshop findet am Sonntag, 7. Oktober 2018 statt.
Das klingt sehr spannend. Ich wünsche Dir viel Erfolg mit dem Workshop und sage herzlichen Dank für das Interview.
Eckdaten zu Heiko Kalweit
- 56 Jahre
- verheiratet
- aus Dortmund und in Dortmund lebend
- Kamera Canon 5 D Mark III und IV, Canon-L-Objektive
- Fotos am liebsten bei available Light; Blitze nur, wenn unbedingt erforderlich
- Fan von Großbritannien und von englischen Oldtimern, besonders Morgan und Austin Minor
Hallo Heiko, tolle Spezialisierung, da hast du eine ganz spezielle Nische entdeckt. Wenn ich Vintage-Fotografie höre, denke ich sofort auch an Vintage-Lenses. Für mich, als Fan von alten Objektiven, würde sich deren Verwendung geradezu aufdrängen. Mit dem oft ungewöhnlichen Bokeh kann man wunderbar gestalten. Probiere es aus – macht Spaß! Liebe Grüße, Petra
Der Bildstil ist unverkennbar. Sehr interessantes Interview! Ich selber durfte auch mal im eher VIntage Stil fotografieren – und das ist gar nicht so einfach 🙂
Liebe Grüße, Julia
http://www.lightitup-blog.de
Instagram | Facebook
Sehr interessant, das Interview. Immer wieder wunderlich zu lesen, wie viele Fotografen durch Zufall auf „IHR DING“ stoßen. War bei mir nicht anders.
Es ist bei Vintagefotos eine besondere Aufgabe, dass die Fotos nicht zu kitschig geraten. Der Pin Up Look ist zwar gerade modern, aber wenn er zu salopp umgesetzt wird, wirkt er meiner Meinung nach billig.
Vintage Hochzeitsfotos sind mein Projekt für 2018. Schade, dass der Workshop erst im Oktober ist. Mit ein paar Sepiafiltern ist es nicht getan, das ist mir klar. Die Objektiv-Tipps haben mir gerade zB sehr geholfen!
Liebe Grüße lasse ich mal da, auf bald!