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Was ich als Eventfotograf von Hollywood lernen konnte

Von Phil Vetter

Als Eventfotograf habe ich unzählige Veranstaltungen begleitet – große Gala-Abende, intime Firmenfeiern, Preisverleihungen und lebendige Konferenzen oder Tagungen. Jede Veranstaltung hat seinen eigenen Rhythmus, seine Geschichte, seine Haupt- und Nebendarstellerinnen.

Meine Aufgabe ist es, diese Geschichte in Bildern zu erzählen. Nicht nur zu dokumentieren, sondern den Betrachter durch Eventfotografie zu fesseln und zu berühren – genau wie das ein guter Hollywood-Film tut.

1. Storytelling in der Eventfotografie

Jedes Event erzählt eine Geschichte, und wie bei einem Film ist es meine Aufgabe, diese visuell zu unterstützen. Für mich als Fotograf bedeutet das vor allem, mir bewusst zu machen, was das überhaupt für eine Veranstaltung ist, wofür sie steht und welche Inhalte sie transportieren möchte.

Dann muss ich wissen, wie der Ablauf der Veranstaltung ist, damit ich immer zur rechten Zeit am rechten Ort sein kann, um alle Szenen in den Kasten zu bekommen. Wie jeder Film ein Drehbuch hat, hat auch jede Feier, jede Konferenz  und jede Preisverleihung ein Skript.

Es verrät mir, in welchem Akt ich mich gerade befinde und wer in welcher Szene die Protagonisten, die Nebendarstellerinnen und Statisten sind, die ich in Aktion ablichten möchte.

2. Kamerawinkel, Komposition und Bildausschnitte – die Ästhetik macht den Unterschied

Blocking und Bildkomposition

Regisseure, Kameraleute und Directors of Photography (DOP) wissen, dass Kamerawinkel und Bildkomposition den Unterschied machen, ob ein Bild professionell ist, den Gesetzen der Bildgestaltung folgt und somit die Betrachtenden in den Bann zieht. Davon kann ich lernen.

Zwar ist das sogenannte Blocking (die Bildkomposition inklusive der Bewegungsabläufe) im Spielfilm etwas, das pro Szene oft Stunden oder Tage in Anspruch nimmt. Es ist komplexer als die Bildkomposition eines Standbildes, da sich die Ereignisse und Figuren innerhalb der Komposition bewegen – und genau das passiert live and direct bei jeder Veranstaltung. Wie die Schauspieler zueinander und zur Kamera angeordnet sind, wird beim Filmdreh sorgfältig ausgearbeitet. Das kann ich bei der Dokumentation einer Feier natürlich nicht machen.

Aber ich kann meinen Blick schulen und davon lernen, wie in großen Movies die Bilder aussehen. Beim Shooting kann ich dann versuchen, meine Kameraposition und meine Bewegungen so zu wählen, dass ich einem perfekten Blocking nahekomme. Dafür muss ich auch manchmal die Bewegungen meiner „Schauspieler“ voraussehen, denn Regieanweisungen kann ich leitenden Angestellten eines Unternehmens natürlich auf ihrer Party nicht geben.

Bildausschnitte

Die Regeln für Bildausschnitte und Kamerawinkel folgen in Film und in der Fotografie denselben gestalterischen Gesetzen. Hier ein paar Beispiele für Bildausschnitte und Kamerawinkel in der Eventfotografie:

Establishing Shot: Die ganze Location, der ganze Saal von oben oder zum Beispiel auch das Gebäude

der Tagung von außen.

Establishing-Shot-Futurium Berlin © Phil Vetter 2024
Establishing-Shot-Futurium Berlin © Phil Vetter 2024

Master Shot: Er zeigt die Location, das Setting, die Atmosphäre in der der sich etwas abspielt. Zum Beispiel der gesamte Stuhlkreis eines Workshops mit allen Teilnehmenden und  Gegenständen, sodass man direkt auf einem Bild versteht, was in etwa vor sich geht.

Master-Shot-Dialogue Perspectives Herbstseminar 23 © Phil Vetter 2023
Master-Shot-Dialogue Perspectives Herbstseminar 23 © Phil Vetter 2023

Wide Shot: Hier kann man einen Saal mit Publikum und Bühne zeigen. Eine größere Anordnung von Menschen inklusive baulicher Komponenten.

Full Shot: Kann beispielsweise eine Rednerin, einen Künstler oder eine Hündin zeigen. Man sieht den ganzen Körper, von Kopf bis Fuß.

Full-Shot-Dagesh Transition © Phil Vetter 2021
Full-Shot-Dagesh Transition © Phil Vetter 2021

Medium Full Shot: Zeigt einen oder mehrere Personen vom Kopf bis kurz oberhalb des Knies. Er wird auch Cowboy-Perspektive oder amerikanische Perspektive genannt, da der Colt im Halfter unten noch immer zu sehen ist. Super für kleinere Runden in Konversationen oder auch Aktionen auf der Bühne.

Medium-full-Krachgarten Festival 23 © Phil Vetter 2023
Medium-full-Krachgarten Festival 23 © Phil Vetter 2023

Medium Shot: Kopf und Oberkörper sind zu sehen, bis etwa einschließlich der Hüfte oder des Stuhls, auf dem die Person sitzt. Hier zeige ich gern interessante Personen im Sitzen an Tischen oder in Stuhlreihen.

Medium Close-up: Gut geeignet für Schuss und Gegenschuss bei Unterhaltungen zweier Menschen über die jeweilige Schulter des Gegenübers. Das zieht Betrachtende der Eventfotografie voll in eine Gesprächssituation. Zu sehen sind Gesicht und Schultern der einen Person in der Bildmitte und der Hinterkopf mit eventuell etwas Schulter der anderen Person, unscharf im Vordergrund am Bildrand.

Medium-Close-Dialogperspektiven Seminar © Phil Vetter 2021
Medium-Close-Dialogperspektiven Seminar © Phil Vetter 2021

Close-up: Nahaufnahmen von Gesichtern. Sie zeigen die Emotionen, das Erleben der Teilnehmenden.

Extreme Close-up: Man nennt es auch Italien Shot, da es in den alten Italowestern oft zu sehen ist. Verwende ich bei Events eher selten, da das schon fast ein bisschen zu intim ist, jemanden so nah mit der Linse in die Augen zu blicken. Aber je nachdem. Für einen wirklich emotionalen Moment kann so was sehr große Wirkung haben.

Italien-shot-eles-1000-jüdisches-museum

Kamerawinkel

Genau wie im Film können wir bei der Eventfotografie den Kamerawinkel als erzählerisches Element nutzen:

Low Angle Shots: Bei Podiumsveranstaltungen ergibt es sich oft, dass ich die Protagonisten auf der Bühne untersichtig fotografieren kann. Damit verleihe ich ihrem Auftritt Wichtigkeit, da sie die Perspektive etwas erhaben erscheinen lässt. Wenn ich dies verhindern möchte und die Person als eine von uns und sehr nahbar zeigen will, gehe ich mit dem Tele weit weg und flache dadurch den Winkel ab – oder ich suche sogar eine erhöhte Position und kann mit der Kamera auf Augenhöhe gehen.

untersichtig-Krachgarten Festival 23 © Phil Vetter 2023_Web 283
untersichtig-Krachgarten Festival 23 © Phil Vetter 2023

High Angle Shot: Indem ich mit der Kamera von oben auf Subjekte schaue, kann ich ihnen Leichtigkeit verleihen – zum Beispiel Menschen beim Tanzen. Oder ich kann von oben das ganze Ausmaß einer Veranstaltung illustrieren. 

Dutch Angel: Wenn zu später Stunde die Party etwas wilder wird, kann ich das durchaus illustrieren, indem ich die Kamera mal schräg halte. Das kann ich durch den Einsatz eines Super-Weitwinkel-Objektives, (unter 20 mm Brennweite am Vollformat), noch steigern. Durch die Verzerrung des Bildes kann ein noch absurderer Eindruck entstehen, der vermuten lässt, dass da sogar Alkohol im Spiel ist.

Insert: Nahaufnahmen von Details wie Dekorationen, Speisen, Getränken, Lichtern, Accessoires. Im Film würden sie als Zwischenschnitte gebraucht oder um eine Handlung in Bezug zu einem Gegenstand zu  illustrieren. In der Fotostrecke stützen sie die Erzählung von Atmosphäre, Aufwand und Wertigkeit eines Events.

3. Mein Partner, Licht vor Ort

Viele Filmemacher lieben Practical Light – vorhandenes Licht vor Ort. Das ist auch für mich das A und O. Denn erstens ist auf geplanten Veranstaltungen oft viel gutes Licht vorhanden und zweitens habe ich meist gar nicht die Möglichkeit, spontan die Lichtverhältnisse selbst zu kontrollieren und anzupassen. Klar kann ich mit Aufsteckblitz arbeiten oder einen externen Blitz mit Soft-Box irgendwo im Raum platzieren. Das versuche ich aber zu vermeiden, so weit es geht.

Oft ist nicht die Zeit, Licht zu setzen, und ein Blitz macht eine Szene auch leider mal ungemütlich – sowohl im Foto als auch für die Teilnehmenden vor Ort. Manchmal helle ich mit TTL oder auch manuell etwas auf, damit Gesichter besser zur Geltung kommen. Zu 90 Prozent aber nutzte ich das vorhandene Licht mit lichtstarken Linsen und moderner, rauscharme Kameratechnik. Um für alles gewappnet zu sein, habe ich aber immer auch ein kleines LED-Licht mit veränderbarer Farbtemperatur dabei, um mal eine kleine Szene punktuell auszuleuchten.

„Director Of Photograph“-Ikonen wie  Roger Deakins gelten als große Fans von Practical Light. Deakins ist bekannt für seine Arbeit an Filmen wie Blade Runner 2049 (2017), Skyfall (2012) und No Country for Old Men (2007) und nicht zuletzt 1917 (2019). So nutzt man beispielsweise folgende Lichtquellen: Lampen, Kerzen, Feuer, Explosionen, Bühnenlicht, Deckenlicht, Leuchtreklamen, Aquarien, Aussteller, Galerie-Leuchten – alles, was die Szenenbildnerinnen hinstellen oder was (in meinem Fall) die Location hergibt.

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4. Vorbereitung in der Eventfotografie – der Schlüssel zu gelassener Professionalität

Wie ein Filmteam bereite auch ich mich so gut wie möglich vor:

  • Ausrüstungscheck: Objektive, Akkus, Speicherkarten, Blitze, Stative etc. Alles wird am Vortag anhand einer Packliste zusammengestellt.
  • Location Scouting: Vorher recherchiere ich die Location, so gut es geht, im Internet. Dann vor Ort schaue ich mir als Erstes alles genau an. Wo fällt das Licht? Wie ist das Licht, wie viel Licht habe ich zur Verfügung , wo sind die besten Perspektiven, wo findet welcher Programmpunkt statt und muss ich irgendwo damit rechnen, zusätzlich einen Blitz oder ein LED-Licht zu benötigen?
  • Shot-Plan: Im Handy schreibe ich eine Checkliste der wichtigsten Motive, die ich im Verlauf der Veranstaltung einfangen will und soll.
  • Im Vorfeld spreche ich so genau wie möglich mit meinen Auftraggeberinnen ab, welche Personen und Motive ihnen besonders wichtig sind. Wer die Hauptdarsteller in unserem Film sind.

5. Ruhe bewahren – der Fotograf als stiller Regisseur

Eventfotografie ist live – es gibt keine zweite Chance. Ich bleibe wachsam, diskret und reaktionsschnell:

  • Antizipieren: Situationen vorhersehen, bevor sie passieren
  • Unauffällig arbeiten: Ich bin der Ninja. Schwarz gekleidet, unsichtbar und immer am richtigen Ort.
  • Geschwindigkeit: Den richtigen Moment im Bruchteil einer Sekunde festhalten.

ABER!

Ich fühle mich immer wie ein Gast auf der Veranstaltung und nicht wie ein Beobachter von außen. Bin offen, führe kleine Gespräche, interessiere mich für Umstände, Menschen, Themen und Inhalte der Veranstaltung. Das bereichert mich persönlich und bringt Freude bei der Arbeit. Und tatsächlich sieht man es den Bildern später an, wenn meine Kamera und ich Teil des Ganzen waren. So fühlen sich dann auch Betrachtende der Bilder, als wären sie dabei gewesen. Eben ein Film, erzählt aus der Sicht einer der Figuren in der Geschichte.

Fazit: Eventfotografie auf Hollywood-Niveau

Gute Eventfotografie ist mehr als Dokumentation. Es ist Storytelling – mit Bildkomposition, Licht und Instinkt. Ich sehe meine Aufgabe darin, die Energie, Emotionen und die Geschichte eines Events zu verpacken wie in einem Hollywood-Film.

Authentisch, nahbar und eindrucksvoll – so entstehen Bilder, die lange in Erinnerung bleiben und den Betrachter berühren, inspirieren und entweder das Gefühl wecken, etwas Wichtiges verpasst zu haben oder aber bei einem großen Ereignis dabei gewesen zu sein.

Über Phil Vetter

businessfotograf

Phil Vetter fotografiert seit über zehn Jahren Menschen – ob für Portraits, Eventsfotografie oder Unternehmensauftritte. Angefangen hat er mit Schauspieler*innen und Musiker*innen, doch schnell wurde klar, dass seine authentischen, nahbaren Bilder auch Unternehmen unterstützen können – in der internen und externen Kommunikation, gerade auch im immer wichtiger werdenden Employer Branding.

Obwohl er eine gut laufende Karriere als Musiker und Produzent hatte, wurde ihm irgendwann klar: Die Faszination für die Eventfotografie und die Arbeit mit Menschen in spannenden, werteorientierten Branchen, in Berlin und anderswo, ist einfach größer. So tauschte er Gitarre gegen Kamera und widmet sich heute mit voller Leidenschaft der Businessfotografie in Berlin. Die Musik ist ihm ein geliebtes Hobby geblieben.

2 Kommentare zu „Was ich als Eventfotograf von Hollywood lernen konnte“

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