Fuerteventura und die Vielseitigkeit eines einzigen Tages
Gastbeitrag von Matthias Gottwald
Als Business- und Eventfotograf, und selbst als Imagefilmer, hat man ja eigentlich reichlich wenig mit Naturfotografie am Hut, außer vielleicht den gelegentlichen Sonnenaufgang für das private Fotoalbum, oder bei mir auch gern mal was für Instagram.
Umso schöner dann, wenn man die Gelegenheit bekommt beides zu verbinden – in einem einzigen, den ganzen Tag überspannenden Shooting.
Ah, Fuerteventura. You either love it or hate it they say, and I LOVE IT!
Neben all den fachlich-handwerklichen, und den unternehmerisch-zielgruppenspezifischen Regeln und Fakten waren mir der Spaß an der Sache und die fotografischen Ergebnisse schon immer viel wichtiger als business-relevante Aspekte. Das Business, so meine Überzeugung, regelt sich dann „ganz von allein“ (setzen wir das aber ruhig mal in Anführungszeichen).
Kein Wunder, denn ursprünglich war das alles ein Hobby. Damals – als ich mich aus dem Hobby in die Nebenberuflichkeit hangelte – hat mich der Name des damaligen Blogs eines damaligen Freundes und Fotografenkollegen sehr inspiriert: „einfach machen“! Noch immer zieht sich dieses Credo durch nicht nur meine freien Arbeiten als inzwischen selbständiger Fotograf und Filmer in Vollzeit.
Dreieinhalb Monate Fuerteventura als Resortfotograf
Auch hierhin hat mich dieses Credo gebracht. Und wenn man einmal vor Ort ist, sollte man das ausnutzen. Oder etwa nicht? Zeit bleibt nicht viel, neben täglichen, manchmal bis zu vier Shootings, im Auftrag von Casaclick. Aber dieses Setting muss man doch verdammt nochmal ausnutzen – oder etwa nicht?!
Was also war alles für diese Fotoserie notwendig?
Genau dieselben Dinge wie eigentlich immer: Location-Scouting, Model(s) finden, (Licht- und Schlepp-)Assistenz abklären, Terminabstimmung, und ab geht’s.
Locations
Wenn man wie in diesem Fall keine Agentur im Rücken hat und null Budget zur Verfügung, kümmert man sich – viele von Euch kennen das, liebe Kollegen – eben selbst drum.
Hier war es einfach: Ein Gang oberhalb des Traumstrandes und ums Hotel herum lieferte Ideen zur Genüge, viele davon konnten wir letztendlich auch umsetzen. Das Handy war griffbereit, PicDrop war bereits hungrig und wollte gefüttert werden. Da wir das Morgenrot, den Sonnenaufgang und auch die Lichtstimmung des späten Nachmittags mitnehmen wollten, war die Länge des Tages schon von Beginn an klar: Lang. Zwischengelagert waren jene Stunden, in denen die Sonne diese tollen langen Schatten ins Gesicht zaubert. Oh, Anführungszeichen vergessen, um „tollen“. Deswegen habe ich bei der Auswahl der Locations auch die jeweilige Uhrzeit nicht aus den Augen verloren, klar. Und es ist krass, wie schnell sich ein spezifisches Setting hier teilweise verändert, durch einen leicht veränderten Sonnenstand. Die wirklich spannenden Schatten wurden uns dann nicht von der Nase des Models (entweder wurde unser Model komplett im Schatten platziert oder mit Blitz die „eklige Schattenseite“ aufgehellt), sondern von Balken, Gittern und Pflanzen geliefert.
Model
Wie so viele männliche Fotografen dachte ich zunächst an ein weibliches Model. Meine gedanklichen Anforderungen diesbezüglich waren ausgereift und überhaupt nicht plump: „Na, so hübsch sollte sie sein. Und n tollen Kleiderschrank besitzen.“
Dem angedachten Model war der Flug aber zu teuer (sagte ich schon da war null Budget eingeplant), und so ging es ans Weitersuchen. Durch Zufall unterhielt ich mich im Hotel dann mit einem Kollegen, der bald abreiste, bis die ersten Gespräche zu einer Frage meinerseits zu einer Absichtserklärung beiderseits zu konkreten Plänen wurden: Michael (bitte englisch aussprechen), seines Zeichens offener Sunny Boy und allgemein ne coole Socke, bot sich perfekt als Male Model an und hatte Lust den Tag vor meiner Kamera zu verbringen. Wenn jemand gleichermaßen im Business-Outfit wie auch in Strandklamotten ansehnlich rüberkommt, nenne ich das gern eine einmalige Chance für mein Portfolio. Also dann: abgemacht!
Assistenz
Bei teilweise so starkem Wind wie auf Fuerteventura (eine kleine Unaufmerksamkeit meinerseits hat mir dann gleich bei der ersten Nutzung erstmal meinen silbernen Lichtschirm zerschreddert), macht sich ein Helfer schon allein zum Sichern der Technik gut, und darüber hinaus natürlich in allererster Linie zum Lenken des Lichts.
Diejenigen unter Euch, bei denen Blitze im täglichen Geschäft zum Einsatz kommen, entweder im Studio oder on-location, wissen es bereits, allen anderen sei gesagt: Ja, doch, das macht schon einen Unterschied. Außerdem mag ich es, Ideen in einen Topf zu werfen, gut umzurühren, und dann ein Gesamtergebnis erzielen zu können, das so sonst nicht zu Stande gekommen wäre, weil man in seinem eigenen Kopf ja dann doch irgendwo eingeschränkt ist.
Das finde ich auch bei Kundenaufträgen – in beide bzw. alle Richtungen – immer wieder interessant: Ein Kunde macht eine kleine, scheinbar unwichtige Anmerkung, und schwupps wird eine auf Fotografenseite bereits vorhandene Idee von einer ganz neuen Seite beleuchtet und der Faden weitergesponnen, oder eine neue Idee wird geboren und kann durch unsere Expertise dann auch tatsächlich umgesetzt werden.
Oder ein Assistent bringt frischen Wind ins Spiel. Oder ich assistiere selbst, lerne dazu, kenne plötzlich neue Herangehensweisen und Lösungsansätze für bisherige Probleme, oder aber ich bin derjenige, der den Fotografen, der in dem Moment die Mütze auf hat, auf ganz neue Gedanken bringt. Genau wie beim Teilen von Wissen und Erfahrungen, muss man da schnell erneut feststellen: We’re better together!
Terminabstimmung
Wie alles in diesem Text, wenn es einem zuvor eh schon klar war, muss auch dieser Punkt eigentlich nicht erwähnt werden. Klar: Ohne Termin kein Shooting. Der war schnell genug gefunden. An den beiden Tagen zuvor, an denen ich ab kurz vor 7 Uhr morgens wieder Strandshootings für Gäste durchführte, machte sich aber eine gewisse Angst breit… Wolken, Wolken, Wolken, und weit und breit kein Morgenrot zu entdecken.
Aufgrund der baldigen Abreise von Michael aber einer der letzten möglichen Termine, zuvor waren wir beide eingespannt. Manchmal muss man dann aber einfach Vertrauen haben. Wir trafen uns in noch vollkommener Dunkelheit und gingen los. Und der Tag entpuppte sich als Goldgrube.
Bildauswahl
Nach diesem erfolgreichen, wenn auch ermüdenden Tag, ging es ans Sichten und die Bildauswahl:
Generell shoote ich persönlich so wenig Bilder wie möglich, und so viele wie nötig. Besonders wenn eine gewisse Planung wie an diesem Tag zum Tragen kommt, versuche ich die finale Bildanzahl auf ein Minimum zu beschränken.
Analogfotografen und analoge Kinder, die mittlerweile auf digital umgestiegen sind, werden mich ohrfeigen, für mich ist die Bildanzahl bei diesem Umfang aber mehr als vertretbar: Aus etwas über 700 Fotos wählte ich meine 200 allgemeinen Favoriten, und darunter knapp über 30 Knallerfotos aus. Die mussten außer „Find ich persönlich geil.“ noch eine weitere Anforderung erfüllen, die mir aber erst bei der Auswahl in den Sinn kam:
Serien
Wäre es als ehemaliger Hobbyfotograf, der historisch bedingt immer nur „Bilder schießt“ (Einzelmotive, die man selbst feiern kann) nicht auch mal toll, zusammengehörige Bilderserien zu erstellen? Und damit meine ich ausdrücklich nicht das, was manch andere Fotografen als „Bilderserien“ öffentlich präsentieren: zehnmal dasselbe Foto mit leichten Variationen im Gesichtsausdruck oder der Pose des Models. Die können meinetwegen sogar die gleichen bleiben. Unterschiede innerhalb einer Serie sollten sich meiner Meinung nach durch andere Bildausschnitte, andere Blickwinkel ergeben. Farben, (Licht)Stimmungen, Muster, sollten sich hingegen pro Serie ähneln. Die einzelnen Serien sollten sich darüber hinaus voneinander abheben. Meine Meinung. Wie seht ihr das?
Aus der Bearbeitung von letztendlich zumeist 3er-Serien heraus entwickelte sich eine weitere Idee: Diese (am Ende dann insgesamt zehn verschiedenen) Serien in eine Ausstellung pressen: „Ein Tag – eine Welt.“
Dieser Gedanke steckt noch in den Kinderschuhen, ist aber eines der wohltuenderen TO DOs auf einer bereits vollgestopften TO DO Liste.
Fuerteventura
Vorerst bleibt mir nur zu sagen: Reist doch auch mal nach Fuerteventura für euer nächstes Shooting – wenn ein kleiner Fleck der Südspitze dieser Insel schon so viel Input liefert, kann es die ganze Insel erst recht!
Baut Euer Business auf, aber vergesst dabei das Leben nicht. Wir alle haben nur eins. Umarmt die Vielseitigkeit. Die kann man schnell finden – sogar an einem einzigen Tag!
Über Matthias Gottwald
Matthias ist Business- und Eventfotograf sowie Videofilmer in Berlin.
Auf seinem Blog gibt es die gesamte Fotostrecke („Ein Tag – eine Welt!“) zu sehen.
Website Der Gottwald: www.der-gottwald.de
Matthias ist Fan von Kollaboration, von der Umsetzung von Herzensprojekten und von Wissenszuwachs. In seiner eigenen Berliner Gruppe treffen sich Berufsfotografen und -filmer einmal pro Monat, um uns gemeinsam theoretische und praktische Fragestellungen zuzuwerfen und auch die entsprechenden Antworten zu erhalten. Bei Interesse an einer Teilnahme schreibt gern eine Email an info@der-gottwald.de. Ob ihr People- oder Produktfotograf seid, eher technisch oder kreativ ausgerichtet, erst seit einem oder bereits seit zwanzig Jahren im Geschäft, spielt dabei keine Rolle: Jeder ist willkommen, und je unterschiedlicher die Ausrichtungen, umso spannender die Treffen.
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Sehr tolle Bilder die bei dem Fotoshooting auf Fuerteventura entstanden sind.
Toller Gastbeitrag und interessanter Einblick in die PR/Businessfotografie. Als großer Fuerteventura Fan habe ich natürlich sofort die Locations erkannt. Die letzten Bilder waren sicherlich auf Los Lobos entstanden?
Beste Grüße vom Kollegen aus Berlin,
Alex
Hi Alex, danke dir. Und nein, alles da unten im Süden bei Jandía entstanden. VG, Matthias
Schöne Bilder! Ich kann nicht mehr warten zurrück nach Fuertaventura noch mal fliegen.
Fuerteventura ist neben Mallorca meine Lieblingsinsel in ganz Europa!