Gastartikel von Ralf Jannke
Hört sich verrückt an, stimmt aber genau so. Was soll das für eine Kamera sein? Die Lösung ist ganz einfach: man braucht die Uhr lediglich 16 Jahre zurück zu drehen und ins Jahr 1994 zu gehen. Da wurde die erste gemeinsam von Nikon und Fuji entwickelte Nikon E2 bzw. die baugleiche Fujifilm DS-505 vorgestellt.
Was war das besondere an diesen Kameras?
Auf den 15×23 mm oder 19×28 mm Sensoren der von Kodak in Kooperation mit Canon und Nikon vertriebenen Kameras dieser Zeit konnte nur ein Teil des KB-Objektivbildwinkels genutzt werden – mit Cropfaktor 1,6 bzw. 1,3. Die Fuji/Nikon war dagegen in der Lage, die vom 24×36 mm Kleinbild-Objektiv erzeugte Abbildung annähernd vollformatig, 1:1 zu übertragen. Dazu wurde das Abbild über eine Relais-, Verkleinerungsoptik auf einen 8,8 x 6,6 mm großen Sensor projiziert.
Die spezielle Nikon/Fuji Technik von 1994 ließ die E2/DS-505 allerdings zu einem ca. 164 x 120 x 140 mm großen und 1,7 kg schweren, gewaltigen Nikon F4 „Klon“ mutieren. Aber eben ein Monster mit „Vollformat“ – na jedenfalls fast. Denn durch Umrechnen des Nikon/Fuji 4:3 Pixelseitenformats aufs 3:2 Seitenverhältnis des KB-Formats ergab sich ein vernachlässigbarer Cropfaktor von 1,1.
Durch die zwischengeschaltete Verkleinerungsoptik betrug die maximale Lichtstärke des Nikon-/Fuji(x)film-Systems allerdings vollkommen unabhängig von der Lichtstärke des angesetzten Objektivs grundsätzlich nur f/6,7. Erst die letzten Nikon-/Fuji-Modellgeneration wurde mit einer lichtstärkeren f/4,8 Relaisoptik versehen. Die Bündelung, Projektion auf den kleinen Sensor bewirkte aber immerhin ISO 800 Nennempfindlichkeit, die je nach Modell auf ISO 1600 oder 3200 verstärkt werden konnte.
Hier eine kleine Tabelle über korrespondierende Lichtstärken/ISOs:
ISO Blende f/ Blende f/
3200 6,7 4,8
1600 4,8 3,5
800 3,5 2,4
400 2,4 1,8
200 1,8 1,2
Trotz der geringen Systemlichtstärke von f/6,7 bzw. f/4,8 verlangten E2/N(s), DS-505(A)/D-515(A) paradoxerweise (super-)lichtstarke Objektive. Ursache dürften die (Hinter-)Linsendurchmesser sein (Austrittspupille). Ist diese Austrittspupille zu klein, das Objektiv zu lichtschwach, reagierten die Fuji-Nikons mit heftigen Vignettierungen bis hin zur Unbenutzbarkeit des Objektivs! Welche Nikkore mit den frühen Kameras harmonierten, kann man hier nachlesen.
Hier weitere technische Daten und Modelle
Der Fuji Bildsensor liefert 1280×1000 Pixel = 1,3 MP. Im 40er Raster kann damit bis 21,7×16,9 cm (150 ppi, Qualitätsfaktor 1,5) oder 16,3×12,7 cm (200 ppi, Q-Faktor 2) gedruckt werden. Gespeichert wird in 24 bit Farbtiefe unkomprimiert als TIFF oder in drei wählbaren JPEG-Qualitäten (4:1 bis 16:1 Kompression) auf PCMCIA-Karten der Spezifikation ATA Typ I oder II.
Auf eine 40 MB-Karte passen 15 unkomprimierte Fotos oder (je nach JPEG-Stufe) 59, 121 oder 199 Aufnahmen. Wer sich heute für einen derartigen Saurier interessiert, braucht keinen Gedanken an irgendeine Compactflashcard oder einen Microdrive im PCMCIA-Adapter verschwenden. Die Nikon/Fujis erkennen diese modernen Speichermedien nicht!
Weitere technische Daten der Nikon-/Fuji-Baureihe
- Nikon F Bajonett
- 98 % Sucher mit 0,72-facher Vergrößerung
- Programm- (P), Blendenautomatik (S), Zeit- (A) und manuelle Belichtungssteuerung (M)
- Verschlusszeiten P und A von 1/2000 bis 1/2 s, S und M 1/2000 s bis 1/8 s Blitzsynchronzeit 1/250 s
- Blendenbereich (Relaisoptik): f/4,8 oder f/6,7 bis f/38
- 5-Segment-Mehrfeld- (Matrix)-, mittenbetonte 70/30 % und 2,5 % Spot-Belichtungsmessung, Matrixblitzmessung mit der Möglichkeit den Blitz auf den zweiten Verschlussvorhand zu synchronisieren
- Belichtungskorrektur +/- 2EV in 1/4 EV-Stufen
- Manuelle Fokussierung und Autofokus mit Schärfepriorität (S) oder Nachführ-AF (C) für bewegte Motive
- Weissabgleich: 6 Modi
- Videoausgang: NTSC/PAL
Zeitstrahl
1994
Nikon (Fujix) E2, Fujifilm (Nikon) DS-505 Systemlichtstärke f/6,7, ISO 800 und 1600, Einzelbildauslösung.
Nikon (Fujix) E2s, Fujifilm (Nikon) DS-515 Systemlichtstärke f/6,7, ISO 800 und 1600, Serienaufnahmen mit 3 B/s, Puffer für 7 Serienbilder.
1996/97
Nikon (Fujix) E2N, Fujifilm (Nikon) DS-505A Systemlichtstärke f/6,7, ISO 800 und 3200, Einzelbildauslösung
Nikon (Fujix) E2Ns/Fujifilm (Nikon) DS-515A Systemlichtstärke f/6,7, ISO 800 und 3200, Serienaufnahmen mit 3 B/s, Puffer für 7 Serienbilder
1998/99
Nikon E3, Fujifilm (Nikon) DS-560 Systemlichtstärke f/4,8, ISO 800, 1600 und 3200, Einzelbildauslösung
Nikon E3s, Fujifilm (Nikon) DS-565 Systemlichtstärke f/4,8, ISO 800, 1600 und 3200, Serienaufnahmen mit 3 B/s, Puffer für 12 Serienbilder
Die E3 und DS-56X Modelle können über eine SCSI-Kabelverbindung von Mac oder PC ferngesteuert werden.
Hier finden sich hochinteressante Informationsquellen (nicht nur) für die erste „Vollformat“-Nikon/Fuji(x)film:
http://www.mir.com.my/rb/photography/companies/nikon/htmls/models/digitalSLRs/E2E2s/index.htm
http://www.mir.com.my/rb/photography/companies/nikon/htmls/models/digitalSLRs/E2NE2Ns/index.htm
http://www.mir.com.my/rb/photography/companies/nikon/htmls/models/digitalSLRs/E3E3s/index.htm
Wer Spaß an Nostalgie hat, kann die Bedienungsanleitung zur Fuji als PDF hier runtergeladen werden.
Hier gibt es den Originalprospekt der Fuji DS-505/515 entspr. E2, E2s als PDF.
Merkwürdigerweise wird die PDF als DS560-565_Brochure.txt auf den eigenen Datenträger abgelegt. Ein einfaches Umbenennen in DS560-565_Brochure.pdf erweckt den Prospekt zum Leben…
Nikons Pressemeldung zur E3/E3s:
http://www.nikon.com/about/news/1998/maye3_98.htm
Unter
http://www.epi-centre.com/reports/9508cs.html
hat John Henshall einen Erfahrungsbericht zur „FUJIX DS-515 DIGITAL CAMERA“ veröffentlicht.
Ein „Normalobjektiv“ für die Fuji/Nikons war das 2,8/35-70 mm Nikkor. Für die wirklich großen Bildwinkel kam das 2,8/20-35 mm Nikkor zum Einsatz. Das Zwischenschalten der Relaisoptik hatte allerdings noch einen weiteren Nachteil. Die erzielbare Schärfentiefe beschränkte sich auf die volle Öffnung, die Lichtstärke des angesetzten Objektivs! Die Blende in der Relaisoptik dient einzig und allein der Steuerung der Lichtmenge für eine vorgegebene Verschlusszeit. Die Blende des Objektivs bleibt ohne jede Wirkung, weil auch der Hebel zur Betätigung der Springblende im Kameragehäuse fehlt. Konsequenterweise gibt es an der Kamera auch keinen Abblendhebel!
Bezogen aufs 24×36 mm Kleinbildformat liefern 20 mm Brennweite bei (offener) Blende f/2,8 und Einstellen der sogenannten Hyperfokaldistanz (siehe Wikipedia) einen Schärfebereich von 2,38 m bis Unendlich. Fokussiert auf 2 m ist bei f/2,8 der Bereich von 1,41 bis 3,45 m scharf. (Siehe Schärfentiefenrechner unter http://www.l-u-p-o.de/schaerfentiefe.htm)
Die vorgestellte Nikon E2N wurde aus reiner Sammelleidenschaft erworben. Wer mit dieser Kamera und den frühen Kodak/Canon/Nikon-Modellen einst beruflich fotografieren musste, meckert heute nicht mehr über Auflösung und Rauschen 😉
Ralf Jannke
PS.: Der erste Besitzer des hier vorgestellten Kamera-Sauriers bezahlte 1997 für die E2N 11.441 Schweizer Franken, etwa 7200 Euro. Die 40 MB (ja, MEGABYTE!) Speicherkarte kostete unvorstellbare 1197 Fränkli, 750 Euro. Was haben wir dagegen heute für paradiesische Zustände…
Hier noch ein paar Bildbeispiele aus der E2N
Beachten Sie den senkrecht durchs Bild laufenden Streifen, die komplett „übergelaufene“ CCD-Zellenreihe. Jede aktuelle DSLR kann heute die Sonne mit ins Bild nehmen, ohne das derartige Blooming-Effekte auftreten.
Da wäre umfangreiche Nachbearbeitung nötig.
Fürs relativ grobe Fotoraster der Tageszeitung hätten die Daten der E2N ausgereicht.
Das ist immer so eine Sache, mit dem „Erster“ sein.
Erstes Digital Back für eine Kleinbild SLR: Minolta SB90 für die Minolta 9000.
1986/1987.
Mit einer Auflösung von 380 kPixel und Speicherung auf Minidisketten.
für mich ist 1994 schon 16 Jahre her. 😉
@ Uwe: Schon interessant, was es „damals“ alles gegeben hat.
@ Carsten: Ja, stimmt, danke 😉
Gruß Michael
Da muss ich widersprechen…
Das erste filmlos aufnehmende Rückteil gab es tatsächlich für die Minolta – ABER: Es war kein Digitalrückteil! Wie beim nie in Serie gegangenen Sony Mavica Prototypen und bei den käuflich erwerbbaren Canon ION Modellen wurde auf ein 3,5 Zoll Disketten-ähnliches Medium gespeichert. Aber eben nur analog. Die Minolta war „nix“ anderes als eine Stillvideokamera mit geringer Auflösung…
Hier noch etwas Minolta-Infos:
http://www.digicamhistory.com/1987.html
http://www.mhohner.de/sony-minolta/onebody/sb-90
Ralf Jannke
ein schöner ausflug in die nicht all zu alte geschichte 🙂
Ja, es ist schon beeindruckend und wenn es noch jemanden gibt, der so ein historisches Stück kaufen möchte, kann sich gern hier mit einem Kommentar melden. Ich habe noch eine Nikon E2s zu verkaufen.