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Baufotografie: Britta Hilpert zwischen Beton, Stahl und Staub

Ein Tag im Leben einer Baufotografin

Von Britta Hilpert

04:45 Uhr, der Wecker klingelt. Mühsam quäle ich mich aus dem Bett. Ich gewöhne mich nie an das frühe Aufstehen – obwohl ich weiß, es wird sich lohnen.

Ich soll erst um 7 Uhr auf der Baustelle sein – das ist sogar verhältnismäßig spät. Einen Anfahrtsplan habe ich per Mail bekommen, aber ich bin ein bisschen nervös: Finde ich den richtigen Weg? Und was kommt da heute auf mich zu?

Den Weg finde ich: Zwischen Fernbahnhof und Flughafen Frankfurt geht kurz vor der Ampel ein kleiner unscheinbarer „Feldweg“ ab. Ich fahre direkt links neben dem futuristischen Bahnhofsgebäude vorbei, rechter Hand befindet sich der Flughafen. Ich fühle mich eingequetscht zwischen diversen Verkehrswegen, und es kommt mir irgendwie surreal vor.

Eine Weiche soll eingebaut werden. Das ist das erste Mal „Bahnbau“ für mich. Ich parke neben den Baucontainern, ziehe direkt meine Sicherheitsschuhe an und stapfe zu den Containern, wo eine Gruppe Leute steht. Der Bauleiter begrüßt mich direkt und erzählt: „Die Weiche ist bereits letzte Nacht eingebaut worden, das tut mir sehr leid“.

Auf Baustellen ist man stets flexibel. Gibt es irgendwo Probleme, wird sofort umdisponiert. Mir bleiben aber die „Nacharbeiten“, und es sollte sich herausstellen, dass auch diese fotografisch gesehen sehr beeindruckend sind, wenngleich ich natürlich gerne den Weicheneinbau miterlebt hätte.

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Sicherheit auf der Baustelle

Zunächst geht es um die Sicherheit. Bereits im Vorfeld hatte ich mich erkundigt, welche PSA (Persönliche Schutzausrüstung) erforderlich ist: Sicherheitsschuhe „S3“, Warnschutzkleidung nach DIN EN ISO 20471 – habe ich alles dabei. Zusätzlich habe ich Gehörschutzstöpsel in der Tasche und bin später auch froh drum, als der Schotter in das Gleisbett geschüttet wird… 

Übrigens arbeitet man im Gleisbett grundsätzlich in oranger Warnkleidung – der besseren Erkennbarkeit wegen. Bei mir wird ein Auge zugedrückt, als ich mit meiner orange-gelben Jacke daherkomme. Die Zugstrecke ist komplett gesperrt.

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Technik und Ausrüstung in der Baufotografie

Meine Ausrüstung für die Baufotografie habe ich in einem mobilen Trolley untergebracht. Zusätzlich habe ich eine Umhängetasche, in die ich das Nötigste umpacke, wenn der Trolley zu unpraktisch wird. Den lasse ich nämlich auch hier am Rande des Gleisbetts liegen und packe um.

Meine Canon R6 hänge ich mir um und setze zunächst das 70-200 mm Telezoom an die Kamera. Damit kann ich die ersten Bilder aus etwas Entfernung schießen, sodass sich alle Beteiligten der Baustelle langsam an mich gewöhnen können.

Das Weitwinkel (15-35mm-Zoom) packe ich gemeinsam mit Polfilter und Ersatzakkus in die Umhängetasche und laufe Richtung großes schwarzes Loch: Der Bahnhof. Dort ist jemand mit der Flex zugange.

Fliegende Funken ziehen wohl jeden Fotografen magisch an … Eine Schiene wird durchtrennt. Die ersten coolen Aufnahmen entstehen also mit dem Tele. Leichte Langzeitbelichtung aus der Hand geschossen. Ich peile 1/50 sec. bei 200mm Brennweite an und kontrolliere, ob der Bildstabilisator des Zooms seine Arbeit macht: Ja, tut er.

So, jetzt ist angesagt, das tolle Gebäude mitsamt neuer Weiche von außen zu fotografieren. Perspektivisch gesehen eignen sich Gleise perfekt zur Linienführung. Dazu packe ich mein Weitwinkel aus. Die Sonne lugt auch noch gerade hervor, toll!

Das nutze ich für einen „Sonnenstern“ (Blende f/16) – das kommt bei Kunden immer gut an, denn die meisten Handykameras können dies nicht darstellen.

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Ästhetik und Komposition: Die Kunst der Baufotografie

Warum werde ich als Baufotografin beauftragt? Ich soll „coole Fotos“ machen. Die Bilder sollen eindrucksvoll die Arbeit darstellen, sollen stark wirken und ein Eye-Catcher sein.

Ich fotografiere bei der Baufotografie ganz ähnlich wie bei der Landschaftsfotografie. Dazu suche ich das beste Licht und erstelle es nicht künstlich. Ich finde ungewöhnliche Perspektiven – ganz tief oder ganz hoch –, nutze eher die extremen Objektive wie Telezoom oder Weitwinkel, und lasse das Normalobjektiv meistens in der Tasche.

Und vor allem: Ich gehe gerne ganz nah ran ans Geschehen. Mittendrin, dort, wo sonst niemals eine „normale Person“ hinkommt. Dort, wo man Dinge sieht, die man ansonsten nicht mal erahnt: Wie konzentriert der Mitarbeiter die Maschine auf der Schiene führt, die die Schrauben eindreht, wie kraftvoll der nächste mit der großen Flex umgeht und die Funken weit hoch sprühen lässt, bis die Schiene durch ist, wie geschickt der Schienenbaggerführer das Gleis mit der großen Schienenzange packt und transportiert.

Als ich sehe, dass die beiden Schienenbagger hin und herfahren, kommt mir noch eine Idee: Langzeitbelichtung. Also hole ich schnell das Stativ und einen Graufilter ND1000 – den stärksten, den ich habe – und betreibe ein paar „Spielereien“.

Da ich ja nie weiß, welche Richtung die Baggerfahrer einschlagen und wie schnell sie unterwegs sein werden, probiere ich ein bisschen mit den passenden Einstellungen und lande zwischen 2 und 3 sec Belichtungszeit, die gut passen.

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Staub und Lärm

Die Schrauben an den neuen Schwellen sind alle festgezogen, jetzt kommt der Schotterzug. Als ich den großen Güterzug sehe, ahne ich schon, was auf mich zukommt. Lärm und Staub – viel Staub.

Also stopfe ich mir die Gehörstöpsel in die Ohren. Meine Linse schütze ich mit einem Filter. Dazu setze ich einfach einen Polfilter auf, den ich dabeihabe. Jetzt kein Objektivwechsel mehr und alle Reißverschlüsse an Umhängetasche und Trolley gut verschließen … Staub kann wirklich übel sein.

Dann geht es los: Langsam rollt der Zug über die neuen Gleise, jeder Waggon hat eine Schütte, aus der der Schotter herausrieselt. Das ist laut! Und das staubt … sogar mächtig. 

Die Szenerie wirkt gespenstisch, fahles Licht dringt nur noch durch. Herrlich! Jetzt mittenrein in den Staubnebel!

Und auch wieder raus: Der Nebel lichtet sich, es ist vollbracht. Was für ein Spektakel mit der alten Diesel-Lok, die standesgemäß Graffiti-verziert daherkommt: Das Gleisbau-Unternehmen hat vorweggenommen, was ohnehin passieren würde – und das eigene Firmenlogo gesprayt ?

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Über Britta Hilpert

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Seit über neun Jahren ist Britta Hilpert spezialisiert auf Baufotografie im Infrastrukturbereich.

Sie ist es gewohnt, bei Wind und Wetter zu arbeiten. Weder Kälte noch Hitze, weder Staub noch Matsch hindern sie daran, faszinierende Motive vor die Linse zu bringen und sie so einzufangen, dass auch Personen ohne spezielles Fachwissen ihre Begeisterung nachvollziehen können.

Website: https://bildwert-hilpert.de

LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/britta-hilpert

1 Kommentar zu „Baufotografie: Britta Hilpert zwischen Beton, Stahl und Staub“

  1. Hallo Britta,

    Dein Bericht liest sich wie ein Abenteuerroman, packend, eindrücklich und begeisternd.
    Dazu noch die Bilder zu den Geschichten, die alle echte Kunstwerke sind.
    Ich denke, der Kunde hat sich sehr über diese Bild-„Ausbeute“ gefreut.

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