Bildkritik annehmen und geben

Das Annehmen und Äußern von Bildkritik ist ein wesentlicher Bestandteil der eigenen kreativen Weiterentwicklung. Sei sollte daher zur regelmäßigen Gewohnheit werden.

Von Cora und Georg Banek

Selbstkritik und Weiterentwicklung

Grundsätzlich ist es wesentlich einfacher, fremde Bilder zu analysieren und zu kritisieren, als die eigenen fotografischen Werke einer solchen Prüfung zu unterziehen. Trotzdem ist es sinnvoll, sich immer mal wieder die Zeit zu nehmen und sich unabhängig von einzelnen Shootings oder projektbezogenen Auswahlverfahren mit Ihren Bildern zu beschäftigen.

Gehen Sie dabei einen Schritt zurück, bekommen Sie Abstand und versuchen Sie sich an einer möglichst rationalen Analyse. Dabei oder darüber hinaus könnten und sollten Sie sich die folgenden Fragen ausführlich beantworten:

  • Sind Sie mit Ihren Bildergebnissen zufrieden?
  • Machen Sie Fortschritte? Wenn ja, welche?
  • Interessieren Sie Ihre Motive noch?
  • Was interessiert Sie daran ganz speziell?
  • Was möchten Sie als nächstes erreichen?
  • Welche Schritte sind dafür nötig?
In der Menschenfotografie geht es sehr häufig darum, etwas in der fotografierten Person zu sehen, zu entdecken und diese Facette der Persönlichkeit in einer stimmigen Zusammenstellung in einem Bild einzufangen.

Umgang mit Bildkritik von außen

Neben der eigenen Meinung zu Ihrer Fotografie, ist es wichtig, sich immer wieder Input von außen zu holen. Denn man köchelt im eigenen Saft, wirklich neue Ansätze und Ideen zu finden, ist nicht einfach. Und ein kritischer Blick von außen ist ganz sicher frei von emotionalen Bindungen an die Bilder und damit objektiver als der eigene.

Fällt das Urteil positiv aus, ist das meist aus allen Richtungen gern gesehen und willkommen; negatives Feedback sollte hingegen fundiert, sachlich, argumentativ belegt und differenziert ausfallen. Wichtig ist also immer die Frage, wer hier kritisiert …

Halten Sie Ihr Gegenüber für fähig und versiert, sollten Sie sich die Kritik zu Herzen nehmen – gerade die negative, denn die bringt Sie weiter. Was nicht heißen soll, dass Sie nach jedem Verriss das Rad neu erfinden und das fotografische Genre wechseln müssen. Doch machen Sie auch nicht, wie so viele andere Fotografen, den Fehler in die typischen Fallen des Umgangs mit der Kritik an den eigenen Bildern zu tappen:

  • »Ich kann nichts« oder: »Die goldenen Regeln der Bildgestaltung«: Gerade am Anfang nehmen angehende Fotografen oft dankbar jedes Feedback zu ihren Bildern auf, weil sie denken, weder fotografieren noch Bilder beurteilen zu können. Grundsätzlich ist diese Offenheit für Kritik – auch später noch – sehr hilfreich.

    Die Hinweise von anderen Fotografen, wie Sie Ihre Bilder verbessern können, werden jedoch (allzu) oft ungefiltert übernommen. Und wenn diese dann als für alle Fotos gültig abgespeichert werden, entstehen daraus die ominösen »Bildgestaltungsregeln «, die nicht zielgerichtet, sondern unreflektiert
    eingesetzt werden und dadurch eine dauerhaft einseitige Bildsprache fördern.

    Stattdessen sollten Sie die Zusammenhänge zwischen Bildgestaltung und Bildwirkung Verstehen lernen.
  • »Ja, aber …« oder: »Also den meisten gefällt es«: Je länger man fotografiert und die eigenen Bilder anderen zeigt, desto mehr positives Feedback erhält man. Das liegt zu einem (kleinen) Teil sicherlich daran, dass man sich fotografisch weiterentwickelt.

    Sehr viel stärker ist es jedoch dadurch zu erklären, dass die Menschen konfliktscheu sind, dass sie Unstimmigkeiten in Bildern nicht sehen, dass sie sich im Gegenzug positive Anmerkungen zu den eigenen Bildern erhoffen, dass sie selber noch Anfänger sind oder dass sie schlechte Erfahrungen damit gemacht haben, fremde Bilder ehrlich zu kritisieren. Also wird lieber gelobt als getadelt.

    Wenn sich in die vielen positiven Stimmen dann eine negative mischt, ist es verständlich, diese abzuwerten und nicht sehr ernst zu nehmen. Denn Lob ist nicht nur Balsam für die Seele, sondern auch der Lohn des Fotografen. Und dennoch sollten Sie sich auch jede unangenehme Kritik doppelt und dreifach ansehen, denn vielleicht steckt etwas darin, was Sie weiterbringen kann.
  • »Aha-hmm« oder: »Ich wollte das so!«: Gerade bei Fotografen, die schon länger und auch erfolgreich in ihrem Metier unterwegs sind, lässt sich beobachten, dass sie Kritik gar nicht mehr hören, geschweige denn, annehmen wollen – selbst wenn sie aus fachlich versiertem Munde kommt.

    Gerade der Erfolg, der sich in Veröffentlichungen, Workshops oder Aufträgen äußert, macht gegen alles Negative immun. Der eigene Ansatz wird schnell sakrosankt, die persönlichen fotografischen Lösungen kopiert, nur noch leicht variiert und endlos wiederholt. Statt sich weiterzuentwickeln, ruht man sich auf den Lorbeeren aus.

    Die Grenzen zwischen Stillstand und einer erkennbaren fotografischen Handschrift sind hier fließend. Hier hilft es, gezielt fremde Fotografen, die man selber bewundert, um eine ehrliche Meinung zu den eigenen Bildern zu bitten.

    Damit Sie dieses Feedback auch wirklich annehmen und es ausführlich und konstruktiv ausfällt, sollten Sie ruhig auch Geld dafür zahlen – eine Praxis, die etwa in den USA gang und gäbe ist.
Gerade ungewöhnliche Bildinhalte oder Bildgestaltungen polarisieren schnell.

Selber konstruktiv kritisieren

Nicht jede Bildkritik, die Sie erhalten, ist so konstruktiv, dass Sie damit etwas anfangen können. Das alte Sprichwort »Was Du nicht willst, das man Dir tu …« kann man auch umkehren. Wenn Sie also gerne konstruktive Kritiken zu Ihren Fotos hätten, sollten Sie in Vorleistung gehen und selber solche verfassen. Denn auch bei der detaillierten Auseinandersetzung mit fremden Bildern lernen Sie, genau zu sehen und Worte für das Gesehene zu finden. Der Fairness halber sollten Sie vorher fragen, ob der Fotograf etwas dagegen hat – was durchaus vorkommt. Wenn Sie die folgenden Punkte berücksichtigen, strukturisieren Sie nicht nur die Kritik, sondern auch Ihre Gedanken:

  • Inhalt: Leiten Sie aus dem Bild ab, was das Motiv ist, welche Aussage und welche Emotionen es vermitteln soll, und beschreiben Sie das in kurzen Worten. So weißder Fotograf, ob Sie das Bild verstanden haben.
  • Form: Analysieren Sie die wichtigsten und am stärksten wirkenden Bildgestaltungsmittel samt deren Wirkung.
  • Aufnahmetechnik: Ergeben sich aus der Technik irgendwelche Auffälligkeiten für das Bild?
  • Nachbearbeitung: Ergeben sich aus der Nachbearbeitung irgendwelche Auffälligkeiten für das Bild?
  • Abgleich: Passen Bildgestaltung, Technik und Nachbearbeitung jeweils zum Bildinhalt und zur Bildaussage? Und was passt nicht dazu?
  • Motivation: Was ist dem Fotografen an dem Bild besonders gut gelungen?
  • Verbesserungsvorschlag: Was könnte der Fotograf tun, damit das Gesamtergebnis stimmiger wird? Und wie?

Und auch hier gilt: Der Ton macht die Musik. Mit einer freundlichen, nicht verletzend werdenden Wortwahl und einer fachlich fundierten Kritik wird sich niemand angegriffen fühlen, auch wenn Ihre eigenen Bilder vielleicht nicht dasselbe Niveau aufweisen wie die kritisierten.

Auch wenn viele Fotografen das nicht verstehen und es als Vorwand nutzen, die Kritik an sich abprallen zu lassen und sie nicht annehmen zu müssen: Um ein Bild kritisieren zu können, müssen Sie es selber (noch) nicht besser machen können, Sie müssen nur die Fehler sehen und benennen können.

Zugegeben: Ein tolles Portfolio verleiht Ihren Argumenten natürlich noch einmal mehr Gewicht.


Dieser Artikel ist folgendem Buch entnommen:


Fotografieren lernen, Band 2: Bildgestaltung und Bildsprache
Cora und Georg Banek
29,90 Euro(D) / 30,80 Euro(A)
254 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband
ISBN 978-3-89864-699-4

* Amazon Links sind Werbelinks, letzte Aktualisierung am 29.03.2024

11 Kommentare zu „Bildkritik annehmen und geben“

  1. Ein sehr interessanter Artikel, dem ich fast vollständig zusimmen möchte. Viele beherzigen zwar, dass man aus der Analyse von Bildern „großer Meister“ viel lernen kann, vergessen dabei aber, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Bildern ebenso wichtig ist und lehrreich sein kann. es geht ja dabei auch gar nicht darum das eigene Bild „kaputt“ zu reden, sondern eher um die Fragen „Was habe ich da gemacht und warum?“ und „Was hätte besser laufen können“. Ich habe gerade mit einem eigenen Blog begonnen und tatsächlich die ersten beiden Artikel auch diesem Thema gewidmet, wobei ich (in Ansätzen) eine eigenes Bild analysiert habe. Meinungen dazu sind herzlich willkommen (ich würde hier einen eigenen Artikel nicht bewerben, wenn hier nicht ein starker Bezug wäre, ich hoffe, das ist ok).

    Einer Sache kann ich aber nicht zustimmen, nämlich der Aussage: „Mit einer freundlichen, nicht verletzend werdenden Wortwahl und einer fachlich fundierten Kritik wird sich niemand angegriffen fühlen, auch wenn Ihre eigenen Bilder vielleicht nicht dasselbe Niveau aufweisen wie die kritisierten.“ Allzu oft habe ich hier erlebt, wie sich so mancher beeidigt in sein Schneckenhaus zurückzog. Gerne mit der „Verteidigung“: Das ist mein Bild und meine subjektive Form, mich mit der Welt auseinanderzusetzen bla, bla….“ Da ist dann jedes noch so nett gemeinte Wort der konstruktiven Kritik zuviel.

  2. Ich habe über die Jahre festgestellt das man am ehesten Erfolg in Sachen kontruktive Kritik hat, wenn man beide Seiten der Medaille anspricht und sich nicht nur auf eine Seite konzentriert.
    Die Personen nehmen dann eine Äußerung eher an.

    „An deinem Bild/ deiner Arbeitsweise/ deiner Idee gefällt mir …., aber was ich nicht als geeignet sehe ist …“
    oder anders herum
    „Der/Die/Das … passt meiner Meinung nach nicht dazu, jedoch besonders gut gefällt mir das du …“

    Solche ausführlichen Kritiken findet man evtl. in gut aufgebauten Foren wo sich die Mitglieder untereinander Mühe geben. Allerdings ist der größte Teil, meines Erachtens, eher so unkonstuktiv wie Flickr, fotocommunity & Co. Es hilft dort niemandem weiter wenn einfach nur als Kommentar unter einem Bild steht „Super!“, „Sehr cool.“, „Das gefällt mir sehr gut!“ usw.

    Ich lasse mich allerdings auch gerne anders belehren und nehme eure konstruktive Kritik gerne an.

  3. Ich denke wir reden hier über unterstützende Hilfen für Amateurfotografen. Jeder gut ausgebildete Profi sollte ohnehin nach jedem shooting zwischen „gut“ uns „böse“ selber unterscheiden können. Nur die eigene Kreativität führt weiter, man muss sich alles selber schwer erarbeiten, da hilfen Tips aus dem Netz überhaupt nichts.
    Bildkritik – besser Bildbesprechungen – sind nur konstruktiv, wenn man in persönlichem Kontakt mit dem Kritiker die Fotos analysiert. Dabei ist Voraussetzung, dass man ihm – dem Kritiker – auch die nötige Kompetenz zutraut.

  4. Wenn jemand mit seinem Bild zufrieden ist braucht er keine Kritik sondern allenfalls eine Meinung. Ist er jedoch unzufrieden mit seinem Bild sollte man gemeinsam heraus arbeiten was ihn stört und wie man es beheben kann. Um jemanden weiter zu bringen halt ich die Kritik an einem einzelnen Bild oder an einem Best-Off Portfolio als unzureichend. Bei manchen Menschen hapert es nicht an der Fotografie sondern schlichtweg am Aussuchen der Bilder. Kontaktabzüge waren da früher recht hilfreich, man konnte schließlich keine Bilder aus dem Film löschen. Die nächste Frage stellt sich auch die Frage nach der Kritik als solche. Wie kann man ein Bild kritisieren, wenn ein Bild mit ähnlichen „vermeintlichen“ Bildfehlern publiziert (und heutzutage wird fast alles publiziert, selbst der Inhalt des hauseigenen Kühlschranks, aber eben auch viel Trash) wird und möglicherweise in einem anderen Kontext sehr gut funktioniert.

  5. Kritik sollte jeder annehmen und auch bezüglich seiner Arbeiten suchen. Ob „Amateur“ oder „Berufsfotograf“ ist unerheblich. Ohne konstruktive Kritik gibt es kein Weiterkommen. Selbst die Stars der Fotoszene suchen sich kompetente Kritiker, um nicht still zu stehen sondern sich immer weiter zu entwickeln.
    Eine Möglichkeit ist ein Mentor, welcher einem eine positive und/oder negative Kritik persönlich geben kann.

  6. Ja, Frank, das sehe ich genauso. Wobei es bei einem Berufsfotografen noch schwieriger ist: Da gibt es die eigenen Ansprüche, die Meinung eines kompetenten Kritikers / Mentors und die Meinung des Kunden. Eine „absolute“ Wahrheit gibt es selten 😉

  7. Pingback: Anonymous

  8. Hallo,
    ich fotografiere im Grunde schon sehr lange, aber erst seit anfang letzten Jahres versuche ich es ernsthaft. Natürlich versuche ich auch ernstehafte Kritik zu erhalten um mich zu verbessern und zu entwickeln (von weiter entwickeln will ich noch nicht reden). Dabei ist mir aufgefallen, dass es Foren gibt die nicht das Klischee des Prinzips „Ich bin lieb zu Dir an bist Du es zu mir“ erfüllen wolen und ausschließlich nur negativ kritisieren. Das hilt mir dann auch nicht weiter wenn ich gesagt bekomme das Bild sei unscharf ich aber zeigen kann dass es das definitiv nicht ist. Oder ich versucht habe bei der Bild Gesatltung etwas gan bestimmtes zu erreichen (ob ich das geschaft habe szeht auf einem anderen Blatt) mein Bild dann aber mit Gestaltungstipps komplet umgebaut wird, so dass es über haupt nicht mehr mener Bildidee enspricht. Ich habe die letzen ca. 12 Monate kaum bis keine Kritik erhalten die mir geholfen hätte.

    Ich gehe inzwischen einen anderen Weg, oder versuche es zumndest. Ich schaue mir meine Bilder an und schaue mir andere Bilder an. Die anderen Bilder können ein ganz anderes Motiv haben, es geht mir dabei nur um die Wirkung, und dann vefrgleiche ich die Bilder von mir und die von Anderen die die von mir gewünschte wirkung haben. Ich versuche dabei nicht die Bilder zu kopieren, bitte nicht falsch verstehen sondern nur die Regeln der Bildgestaltung rauszulösen. Beispiel: Bilder vn Städteszenen mit Menschen die aber nicht als person zu erkennen sind sondern nur als Mensch. Da gibt es viel, vieles was mir überhaupt nicht gefällt und ich bestimmt nicht kopieren mag, aber der Ansatz wie es umgesetzt wurde kann mir helfen.

    Ich glaube mit dieser Technik bin ich weiter gekommen als mit der Kritik in Foren. Ich denke auch das Kritik in einem Forum nicht wirklich gut geht weil es ein Dialog sein sollte, so von Mann zu Mann oder Frau zu Frau oder …..

    Gruß
    Oli

  9. Pingback: linkTime – Januar 2012 – #4 | linkTIME | bhoffmeier.de

  10. Schwieriges Thema ohne das sich der Fotograf direkt persönlich angegriffen fühlt. So geht es mir zumindest ;-). Daher versuche ich, wenn ich selbst Bildkritik ausspreche, immer auch gute Aspekte zu nennen und die negativen darin zu verpacken. Wer hört schon gerne nur Negatives zu seinen Bildern….

    Am Ende ist es aber immer persönlicher Geschmack. Wenn mir das Bild so gefällt ist es mir eigentlich herzlich Wurscht was jemand anderes darüber denkt. Das ist halt mein Style…. Von technischen Fehlern mal abgesehen…

    vg Frank

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen