
Er war wohl nicht DER, aber sicher einer der wichtigsten Fotografen der Frauen: der gebürtige Berliner Helmut Newton (1920 — 2004). Seine Aufnahmen sind legendär. Bei Arthaus gibt es mit »Frames From The Edge« wohl eine der besten Dokumentationen über ihn und seine Arbeit(sweise) auf DVD.
Die Dokumentation von Adrian Maben ist nicht neu – sie stammt aus dem Jahr 1988 – und nicht kritisch. Dennoch ist sie immer noch sehenswert – vor allem für Fotografen. Denn sie zeigt nicht nur den Menschen, sondern auch den Fotografen und Künstler. Künstler deswegen, weil in den knapp 100 Minuten sehr deutlich wird, dass Newton bei seinen Bildern immer ein Bild vor seinem inneren Auge hatte, das er akribisch verwirklichte. Er drückte nicht pausenlos auf den Auslöser. Bei ihm sind die Fotos das Ergebnis von exakter Detailarbeit. Erst wenn das Model richtig steht, das Bein richtig abgewinkelt ist, die Kinnhaltung stimmt, die Finger an der richtigen Stelle sind, dann löste er den Verschluss aus.
Adrian Maben begleitete Newton im Studio, beim Scouting, beim Casting und zum Laboranten. Dazwischen äußert sich der Künstlers, sprechen bekannte Modellen (zum Beispiel Karl Lagerfeld, Catherine Deneuve) über den Menschen und Künstler. So entstand eine äußerst vielschichtige, intime Dokumentation über den Menschen, den Künstler, sein Denken und sein Arbeiten.
Was mich vor allem an der DVD reizt, sind die Blicke hinter die Kulissen. Die Tatsache, dass Newton ganz genaue Vorstellungen von dem Bild hatte, das er schaffen wollte. Oder seine Auswahl der Models, wie er sie auswählte, wie er sie respektierte. Selbst wenn er weiß, dass er sie nicht nehmen wird, nimmt er sich die Zeit, ihre Mappe durchzusehen. Aber auch, dass er sie nach einem Shooting sehr schnell wieder vergisst und sich erst dann wieder an sie erinnert, wenn er seine eigene Aufnahme in deren Mappe sieht.
Aber auch, dass es für großartige Aufnahmen nicht viel Aufwand braucht. So begleitete Maben den Berliner mit der offenen, direkten, spitzzüngigen und spitzbübischen Schnauze, bei der Realisierung seiner Berliner Mädchen. Ein Model und eine normale Kompaktkamera. Das war alles, was Newton bei sich hatte. Sein Blick für die Landschaft und das Licht reichten aus, um beeindruckende, ausdrucksstarke Schwarz-Weiß-Aufnahmen zu machen.
Doch es geht noch weiter. In die Dunkelkammer, in der Laboranten für ihn die Fotos ausarbeiten. Aber nach seinen Vorstellungen. Newton ist ein hochprofessioneller Fotograf, der die gleichen hohen Ansprüche an seine Mitarbeiter stellte. Ein Mann, der auf die Details achtete und sie kontrollierte.
Newton war aber auch ein Geschäftsmann. Ein Künstler, der seinen Wert kannte und selbstverständlich einforderte. Sei es bei Honorarforderungen oder bei der Auswahl der Abzüge. Die Abzüge, die durchs Raster fielen, legte er nicht einfach beiseite. Er zerriss sie, damit sie nicht mehr in Umlauf gelangen konnten.
Und immer wieder wird Newton bei der Arbeit gezeigt. Immer wieder der Blick durch den Sucher. Das Dirigieren im Detail. Erst wenn alles seinen Vorstellungen entsprach, drückte er den Auslöser. Er verwirklicht eine Bildidee. Nicht umgedreht.
Mein Fazit: Eine der besten Dokumentationen über Helmut Newton, den Menschen, seine Vorstellungen, sein Wirken und seine Wirkung — und über seine Arbeitsweise. Vor allem Letzteres macht diese DVD zu einer sehenswerten Dokumentation — nicht nur für Newton-Fans.
Als Fan der Aufnahmen von Helmut Newton finde ich den Hinweis auf diese DVD sehr gut. Bisher kannte ich die noch gar nicht.
Nicht so gut ist, dass ich durch den Bericht mal wieder „gezwungen“ war, bei Amazon zu bestellen 😉
Bin gespannt, ob der Film mir auch so gut gefällt
Hallo Thomas,
danke für Deine Rückmeldung.
Nein, Du bist nicht gezwungen, bei Amazon zu bestellen, ich denke, auch jede örtliche Buchhandlung wird die DVD besorgen können 😉
Viele Grüße
Michael
Am vergangenen Weekend habe ich das grosse Buch von Newton angeschaut und war wieder mal so richtig Paff. Ein Meisterwerk. Seine Art und Weise beeindruckt.
Und nun noch dieser schöne Bericht. Super. Danke an den Verfasser.
LG.
Philipp