Das freie Fotoprojekt

Fortsetzung des Gastbeitrags „Berufsfotografie und freies Fotografieren“ von Christian Ahrens

Freies Fotografieren entspannt. Es geschieht aus einer ungezwungenen Haltung heraus, es ist Frei-Zeit, Spiel – und macht Freude. Jeder kreative Fotograf trägt Themen mit sich herum, die er im Auftrag einfach nicht umsetzen kann. Da ist es ein Genuss, hin und wieder ein Bild oder eine Serie zu fotografieren, die sich diesem Thema nähert. Dies muss noch nicht einmal mit dem Anspruch geschehen, veröffentlichungsreife Ergebnisse zu produzieren.

Ich empfinde diese Form des freien Fotografierens jedenfalls als eine Chance, meine Begeisterung für die Fotografie insgesamt am Leben zu erhalten. Es bringt Spannung und frische Neugier zurück und macht einfach Lust, immer weiter fotografisch aktiv zu bleiben. Da ist es kein Widerspruch, dass mich als Corporate- und Industriefotograf auch in meiner Freizeit Fabrikanlagen und Gewerbegebiete mit ihrer speziellen Stimmung und Atmosphäre reizen. „Shoot what you love“, sagt auch der großartige Joe McNally.

Das freie Projekt

Die anspruchsvollere Version des freien Fotografierens ist ein fotografisches Projekt, zum Beispiel, um ein bestimmtes Thema zu bearbeiten, um eine Ausstellung zu produzieren oder um die Inhalte für ein Buch zu schaffen. Hier liegen die Dinge ein wenig anders: auch wenn das Thema frei gewählt ist, geht es in diesem Kontext sehr schnell darum, einen Anspruch zu erfüllen, vor den Augen eines Publikums bestehen zu wollen und möglichst Bestleistung zu erbringen.

Ein freies Projekt ist, wie Fotografen-Consultant Martina Mettner schreibt, „eine Möglichkeit als Fotograf über sich selbst hinauszuwachsen“. Damit werden Grenzen verschoben, Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitet und Ziele erreicht, die zu Beginn des Projektes vielleicht als unerreichbar angesehen wurden. Was ein freies Projekt für Fotografierende bedeuten kann, kann man in Mettners Buch „Wie man ein großartiger Fotograf wird“ detailliert nachlesen. Auch wenn dieses kluge und absolut lesenswerte Werk sich nicht vordringlich an Berufsfotografen wendet, bietet es zahlreiche Anregungen und Hinweise, seine eigene Fotografie auf ein neues Level zu bringen und seine Möglichkeiten im Rahmen eines freien Projektes zu entfalten.

The truth is in the print

Doch zurück zu den kleineren Brötchen. Als mir vor einigen Wochen klar wurde (nicht zuletzt unter dem Eindruck von Martina Mettner’s Buch), wie wichtig das Thema eigentlich ist, habe ich alle Bilder durchgeschaut, die ich 2009 als frei Fotografierender gemacht habe. Es waren bedauerlicherweise erstaunlich wenige. Einiges ist auf Reisen entstanden, manches an freien Nachmittagen oder Wochenendstunden, die ich nur für mich und mein Fotografieren genutzt habe. Ich versuchte, herauszufiltern, was davon Bestand hat. Und der beste Weg dafür erschien mir der zu sein, die gültigen Bilder als hochwertigen Print zu realisieren und anschließend vom Buchbinder zu einem kleinen Buch mit Auflage 1 umsetzen zu lassen.

 

Für den Druck entschied ich mich, die ausgewählten Fotografien in einem bestimmten Layout, mit Ortsangabe und Datumsstempel versehen, auf hochwertiges Hahnemühle FineArt Pearl zu drucken. Und so entstand im Laufe eines Wochenendes Blatt für Blatt eine Art visuelles Tagebuch, perfekt gedruckt auf einem haptisch wie optisch edlem Papier und streng aber rein subjektiv selektiert. Übrig geblieben sind gerade mal knapp 30 Prints aus einem ganzen Jahr, ein kleiner Stapel im Format 24 x 33 cm (ein halbes A3+). Die liegen nun in der Presse, in der Hoffnung, das Papier noch ein wenig glatter zu kriegen. Nächste Woche will ich damit zum Buchbinder gehen und ihn bitten, eine schöne äußere Form dafür zu finden.

Wenn ich das Ergebnis betrachte, freue ich mich. Die Konzentration auf die wenigen Fotografien, die hochwertige Ausarbeitung, das finale Buch, das ich mir schon vorstellen kann – das ist etwas Besonderes für mich. Es ist nur ein kleines Werk entstanden, aber es steckt sehr viel darin. Und macht mir persönlich und ganz individuell einmal mehr bewusst, was es bedeutet und wie großartig es ist, Fotograf zu sein.

6 Kommentare zu „Das freie Fotoprojekt“

  1. Eine großartige Idee, die Du da umgesetzt hast. Ich mache das manchmal auch, meine Arbeiten der letzten Jahre getrennt zu betrachten, um dann das eine oder andere – in meinen Augen gelungene – Bild auf A3+ zu vergrößern. Allerdings habe ich mir die Werke noch nicht von einem Buchbinder in Form bringen lassen. Das wäre auch mal eine Idee. Ich hoffe, irgendwann einmal meine Bilder in einer kleinen Ausstellung der Öffentlichkeit vorstellen zu können.

    Ich möchte aber betonen, dass es bei mir mitnichten das von Dir aufgeführte Buch war, welches mich dazu animiert hat. 😉

    In naher Zukunft werde ich mir noch einen guten gebrauchten Diascanner zulegen, damit ich auch die analogen Bilder digital vorliegen habe.

  2. Ganz toller Zweiteiler – oder kommt noch ein dritter Artikel zu dem Thema? Ich finde ihn jedenfalls lesenwert und anregend, besonders für Berufsfotografen. Auch Dein Schreibstil gefällt mir, Christian. Mach Lust auf mehr von Dir hier 😉

  3. Den Artikel fand ich auch sehr lesenswert. Mir fehlt aber ein bisschen die Abgrenzung zwischen freien Projekten und dem planlosen Herumziehen mit der Kamera. Als Einwand würde ich bringen, dass man freie Arbeiten nicht deshalb machen sollte, weil man mal „frei“ arbeiten will. Kreativität lässt sich nicht erzwingen. Aus einem Produktfotografen wird auf einem Fotospaziergang noch lange kein Streetspezialist. Und mal eine ehrliche Frage: Was verkauft man denn dem Kunden, wenn man seinen Stil noch in freien Projekten zu finden hofft? Unstil? Mittelmaß? Man sollte freie Projekte also nicht verwechseln mit „mal eben mit der Kamera in der Hand losziehen“ – letzteres taugt oft kaum für mehr als ein paar Schnappschüsse.

  4. Hallo,

    @Peter: Die Grenzen sind gewiss fließend. Ich dem Artikel habe ich ja auch unterschieden zwischen „freiem Projekt“ (mit Anspruch und Aufwand) und „freiem Fotografieren“. Ob letzteres nun „zielloses Herumstreichen“ ist oder mehr oder weniger doch zielgerichtet, bleibt jedem einzelnen überlassen.

    Mir ging es jedoch um den prinzipiellen Unterschied: wer nur fremdbestimmt fotografiert, so meine These, verliert etwas Wesentliches in der Fotografie. Daher ist mein Artikel letztlich ein Plädoyer für nicht fremdbestimmtes Fotografieren – selbst dann, wenn nicht mehr dabei herauskommt, als ein paar für andere belanglose Bilder.

    Themen, Reihen, kleine und große Projekte gibt es nun wirklich genug. Die Welt ist voll davon. Was man näher verfolgen will und wie ambitioniert man das angeht, ist die eigene Entscheidung. Manchmal entwickelt sich aus spielerischem Herumstreunen eine ambitionierte Ausstellung. Manchmal passiert gar nichts und man vergisst sogar die Bilder, die man irgendwann einmal gemacht hat. Manchmal entdeckt man unter frühen Bildern die Wurzeln zu einer Idee, die erst später Früchte trägt.

    Alles ist möglich. Aber tun sollte man etwas.

    VG
    Christian

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