
Im ersten Teil seines Gastartikels zu den Auswahlkriterien bei der Anschaffung einer Studioblitz-Anlage ist Michael Gelfert auf die Themen Sujet, Raumgröße, Bajonett/ Lichtformer und Qualität eingegangen. Heute folgt nun der zweite Teil.
Service
Blöd, wenn mal was kaputtgeht. Gut, wenn einem der Hersteller dann schnell hilft. Hier haben die deutschen Hersteller oft einen Vorteil, denn Ersatzteile sind direkt verfügbar und man kann Geräte im Inland zur Reparatur verschicken – das spart Geld und Zeit.
Verfügbarkeit
Für den Profi, vor allem aber auch den Semiprofi ist die Verfügbarkeit weiterer Blitze und Zubehörteile sehr wichtig. Gemeint ist damit nicht die Verfügbarkeit im allgemeinen Handel, sondern vor allem im Leihservice und in Mietstudios. So kann man sich selbst einen Grundstock an Ausrüstung anschaffen und den Rest nach Bedarf über Miete organisieren. Ganz vorn liegen dabei die großen Marken wie Profoto, Briese und Bron, aber auch Hensel. Für den Amateur ist dieser Punkt zugegebenermaßen eher von untergeordneter Bedeutung.
Wiederaufladezeiten
Für den Amateur wie den Profi interessant ist die Zeit, die der Blitz braucht, um wieder die selbe Leistung abgeben zu können (ein ordentlicher Blitz sollte sich standardmäßig NUR mit der eingestellten Leistung auslösen lassen). Denn dadurch wird die Geschwindigkeit bestimmt, mit der man nacheinander Bilder aufnehmen kann. Mehrere Sekunden schon bei geringer Leistung sind eigentlich nur für den Stillife- oder sehr gemächlich arbeitenden Fotografen akzeptabel.
Abbrennzeiten
Die Abbrennzeit ist die Zeit, in der der Blitz abbrennt (welche Überraschung). Das entspricht quasi der „Verschlusszeit“ des Blitzes. Ist diese zu lang, kommt es zu Verwischungen und Bewegungsunschärfen im Bild. Wichtig ist das für alle Actionaufnahmen, bei Portraits kommt das ganze selten zum Tragen. In den technischen Daten sind die Abbrennzeiten als „t 0,1“ oder (häufiger) „t 0,5“ verzeichnet. Darüber lohnte sich eigentlich gleich noch ein ganzer Artikel. In Kürze: t 0,1 ist die realistischere Zeit und laut Jost J. Marchesi kann als Faustformel der dreifache Wert von t 0,5 dafür angenommen werden.
Gewicht
Das Gewicht eines Blitzes ist hauptsächlich in 2 Situationen wichtig. Zum einen natürlich, wenn man ihn tragen muß. Dann ist leichter definitiv besser. Zum anderen dann, wenn man ihn auf einem Stativ und Lichtformer daran befestigt. Ein leichter Blitz fällt leichter um und kann das Gewicht eines schweren Lichtformers nicht so gut ausgleichen. Hier sind z.B. Kompaktblitze praktisch, deren Gewicht sich auf dem Schwerpunkt verlagern lässt. damit hat man dann gleich ein wenig „Gegengewicht“ zum Lichtformer.
Preis
Ich bin nicht naiv, mir und Euch ist sicher längst klar, dass für die meisten Interessenten der Preis eines Blitzes einer der wichtigsten Punkte ist. Aber da das so naheligend ist, erwähne ich es erst am Schluß, denn allzuoft vergisst man darüber all die anderen Faktoren.
Der Preis ist natürlich der Punkt, der am meisten beeinflusst wird davon, wie anspruchsvoll man in den anderen Kategorien ist.
Ich möchte dazu nur eins sagen: Viele Leute kaufen alle 2 Jahre eine neue Kamera für 1000 Euro oder mehr. Objektive kosten oft nochmal ein mehrfaches davon. Beim Blitz wird aber mit jedem Hunderter (oder Euro!) geknausert und dafür lieber große Kompromisse in Kauf genommen. Ist da nicht ein Fehler im System?
Aus der Praxis
Zwei Fragen sind bestimmt noch offen:
1. „Wie viel Leistung brauche ich (in meinem 30 m²-Raum, draussen gegen die Sonne…)?“
Hütet Euch vor jedem, der behauptet, diese Frage eindeutig beantworten zu können!
Die benötigte Leistung ist von vielen Faktoren abhängig, z.B. von der gewünschten Arbeitsblende (das ergibt sich zum Teil aus dem Sujet), vom Lichtformer, vom Abstand, vom gewünschten Einfluss des Umgebungslichtes und der Intensität dessen etc.
Sehr verallgemeinert würde ich für kleine bis mittlere Räume 250 oder 500 Ws-Geräte empfehlen, die sich möglichst weit herunterregeln lassen. Ich selbst verwende für diese Fälle 500er Hensel. Wie gesagt kann je nach Umständen aber eben auch mehr oder weniger Leistung gebraucht werden. Noch schlechter kann man das beim Kampf gegen die Sonne sagen. Ich war damit schon mit 500 Ws locker erfolgreich, anderen Tags brauchte ich 1200 Ws und an wieder anderen Tagen reicht auch das nicht.
„The right tool for the right job!“
Damit kommen wir schon zur nächsten Frage:
2. „Wie finde ich denn nun raus, was ich brauche? Ich würde das gerne mal ausprobieren!“
Genau das würde ich auch jedem empfehlen. Möglichkeiten dafür gibt es. Grobe Vorstellungen von Euren Anforderungen solltet Ihr bereits haben, aber für Details empfehle ich folgendes.
In vielen größeren Städten gibt es Equipmentverleihe, wo man verschiedene Geräte tageweise mieten kann. Das kostet zwar ein bißchen was, aber im Verhältnis zu einer Blitzanlage ist es sehr günstig.
Eine andere Möglichkeit sind Mietstudios, die oft mit einer größeren Anzahl verschiedener Blitzgeräte und vor allem Lichtformer (die eigentlich viel wichtiger sind als die Blitze selbst) aufwarten – auch dort kann man gegen Geld Equipment in der Praxis testen.
Oder vielleicht kennt ihr ja einen netten Kollegen, der bereits eine Anlage besitzt und Euch mal ein wenig (unter seiner Aufsicht) probieren lässt.
Last but not least: Bei vielen (besseren) Herstellern habt ihr direkt die Möglichkeit, nach einem Test zu fragen. So stellt z.B. Hensel bei ernsthaftem Interesse über seinen Aussendienst gern mal etwas kurzzeitig zum Test zur Verfügung.
Warum ich so oft „Hensel“ schreibe? Weil ich es selbst verwende und darüber viel weiß. Mehr steckt nicht dahinter – andere Hersteller haben auch gute Produkte (und Services).
Weitere Informationen über das Buch „Fashion-Fotografie“ von Michael Gelfert gibt es bei Amazon.
Ich kann jedem nur empfehlen einen Workshop zur Studioblitzfotografie (o. Portraitfotografie im Studio) mitzumachen. Dort lernt man innerhalb eines Tages alle Geräte kennen und probehalber einsetzen. Mir hat das sehr für eine System- und Equipmententscheidung geholfen. Übrigens ein nicht unwichtiges Kapitel das sich auch für einen Beitrag lohnt: Funkauslöser.
Besten Dank für deine beiden Beiträge Michael.
Sie sind objektiv und informativ.
Ich möchte gerne auf zwei aus meiner Sicht weiteren Beurteilungspunkte hinweisen, auf die geachtet werden könnte je nach Anforderungsprofil.
a) Gehäusequalität
Ich habe schon Blitzgehäuse aus Druckguss Kunststoff und ähnliche Materialien gesehen, die sehr
spröde waren (oder werden können) und recht umfangreich zersplittert sind nach einem Sturz. Es gibt nach wie vor Produzenten, die ihre Lampentechnik in Aluprofile einbauen, die dann ebenso langlebig und transport – wie sturzsicher sind. Nein Testen kann man das nicht. Ich würde nie vorsätzlich ein Blitzgerät fliegen lassen – aber wenn es vorkommt muss nicht gleich alles defekt sein. Mit den genauen Daten der Kunststoffverbindnung der Gehäuse kann die Versprödung und/oder die Weichmacherwanderung des Gehäuses mit umgebenden Stoffen geprüft werden.
2. Unterhaltstauglichkeit
Alle mir bekannten Blitzprodukte schaffen mit Bauteilen die in Fernost produziert werden. diese werden dann in die Blitzgehäuse eingebaut. Muss eine dieser Platinen oder Chips getauscht werden in einem engen Gehäuse müssen sämtlich Bestandteile demontiert werden, die später in den vorgesehenen Raum montiert wurden. Einige Produkte sind so eng in diesem Installationsbereich dass nach dem Ausbau es fast nicht mehr oder wenn nur mit grösstem Aufwand auch durch erfahrene Servicetechniker zurückgebaut werden können. Ich empfehle sowieso, an den Blitzgeräten nie selbst etwas zu reparieren. Aber auch bei den Profis in den Werkstätten sollte der Aufwand klein bleiben bei solchen kleinen Tauschaktionen.
Diese Auskunft bekommt man in den Servicestellen der einzelnen Produktelieferanten. Etwas genauer nachfragen. Antworten kommen nicht einfach so.
Heiner
Gute Zusammenfassung!
Wer mehr über Abbrennzeit wissen möchte, kann sich gerne mein Artikel dazu anschauen.
http://www.c-studios.de/blog/studioblitze-blitzdauer/dontfollow
@Michael: ich hoffe, das ist nicht zu viel Werbung 😉
@Alex: Nein, kein Problem 😉
Danke für den Artikel. Im Abschnitt Gewicht icht jedoch ein Fehler hinsichtlich Kompakttblitzen:
Wenn ein Lichtformer angebracht wird verschiebt sich der Schwerpunkt in Richtung Lichtfomer wenn kein entsprechendes Gegengewicht zur anderen Seite vorliegt.
Eben genau deshalb sollte ein Blitz ruhig ohne Lichtformer das Stativ „nach hinten“ belasten.
MfG RM
Da ist kein Fehler, RM.
Ich schrieb explizit von Blitzen, bei denen man den Schwerpunkt verlagern kann. Wenn ich einen Normalreflektor drauf habe, brauche ich kein Gewicht „hinten“, das würde nicht passen. Bei einer großen Softbox sieht das anders aus.
Bei meinen inzwischen etwas betagten Hensel- und Richter-Blitzen kann ich das Gewicht aber durch verschieben der Stativhalterung nach hinten oder eher vorn verlagern – je nachdem, wo ich es grade brauche.