
Gastbeitrag von Helge Peters
Im Wesentlichen sind es augenscheinlich nicht die kaufmännischen und fotografischen Basics, die ich in Seminaren, Webinaren oder Fortbildungen gelernt habe, welche meinen beruflichen Erfolg als Fotograf ausmachen, sondern eher Dinge wie Mut, Empathie, Humor, Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber meinen Kunden, aber auch gegenüber mir selbst. Eine gewagte Theorie? Dann lest selbst:
Mit der Kunst kann man kein Geld verdienen
„Mit der Kunst kann man kein Geld verdienen“, sagte mein Vater immer.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass ich viele Berufsentscheidungen aus der Vernunft heraus traf, und das obwohl seit meiner frühen Kindheit, meine Kreativität immer meine größte Begabung war. Stattdessen habe in einem wirren Zick-Zack-Kurs der Kompromisse zugunsten vermeintlicher Erwartungen gemacht.
Nach dem Abitur und Zivildienst (in der Krankenpflege) war ich u.a. als Krankenpfleger tätigt, Dipl. Kunst-Therapeut und -pädagoge, Rechtsanwalt-Fachgehilfe und Shop-Leiter bei E-Plus/Base. Ich habe auch klassisch, analog fotografieren und entwickeln gelernt. Doch was mir in dieser Zeit fehlte, war der Mut meinen Begabungen zu vertrauen und mich auf beruflicher ebene durchzusetzen. Also wurde ich während der Wartezeit auf meinen Studienplatz erst einmal Krankenpfleger. Die Dankbarkeit der Patienten tat damals meinem Selbstwertgefühl sehr gut.
Was ist mein künstlerisches Thema?
Während des Studiums wurden wir von Dozenten gefragt, was unser ureigenes künstlerische Thema ist. Ich antwortete „die Liebe“, konnte es damals aber nie genauer definieren und wusste auch nicht wirklich warum dies eigentlich mein Thema war. Ich war ich Mitglied in einer Künstlergemeinschaft, die erfolgreich Video-Skulpturen kreiert hat. Irgendwann wurden wir gebeten, Modeschauen filmisch und fotografisch zu begleiten. Darauf ergaben sich dann die erste Anfrage für eine Hochzeit. So wurde ich Fotograf in Teilzeit, aber es lief alles sehr … naja, improvisiert ab!
Meinen Hauptverdienst und viel Verantwortung hatte ich auch zu Studienzeiten und direkt danach aber immer in der Ambulanten Krankenpflege. Aber ich habe es dort leider in gesundheitlicher Hinsicht übertrieben. Eine berufsbedingte Krankheit wurde chronisch. Es gab zudem über die Jahrzehnte verteilt, zwei Vorgesetzte, die mich in aller Güte zur Seite nahmen und in etwa sagten: „Du machst hier einen tollen Job, aber wieso verdienst Du dein Geld nicht mit dem, was Du am besten kannst?“ Eine Antwort von mir war: „Womit denn? Mit Klug-Scheißen?“. Denn ich war immer ein Angestellter, der innerbetriebliche „Miss-Stände“ kaum ertragen konnte und sich Gedanken um Dinge machte, die eher Chef-Sache waren. Vielleicht kann man auch sagen, ich war unterfordert?
Meine körperlichen Grenzen
Die chronische Krankheit hat mich immer wieder in den unterschiedlichen o.g., Berufen an meine körperlichen Grenzen gebracht und letztendlich dazu, mal eine klare Entscheidung zu treffen und umzusetzten.
Mithilfe des Jobcenters und deren Kredit von 5.000,00 €, habe ich alles auf eine Karte gesetzt und bin somit Vollzeit-Fotograf geworden. Und weil dieser Betrag vorne und hinten nicht reichte, habe ich vorab Michael Omori Kirchner angeschrieben und gefragt: „Kann man sich mit einer Canon 1100 D wirklich als professioneller Fotograf selbständig machen?“. In der Kommentaren dieses Artikels wurde sehr kontrovers mit reger Beteiligung diskutiert.
Gründung als Fotograf
Vor der Gründung durfte ich die Wirtschafts-Akademie besuchen und der Tenor dort war immer:
„Erfolgreich ist der, der anders ist als alle Anderen“
„Seid in den Preisen wettbewerbsfähig“ (was ich fälschlicherweise mit „günstig“ interpretierte).
Positionierung und Business Plan
Ich entwickelte also die „Alleinstellungsmerkmale“: Mobiles Fotostudio für Babyfotografie und Aktfotografie, keine Paket-Preise sondern eine transparente Stundenpauschale, und Fotoretusche (meine Leidenschaft). So schrieb ich meinen Business-Plan von dem ich heutzutage denke, „wie zur Hölle, konnte der nur je durchgewunken werden?“. Die Antwort ist simpel: jeder erfolgreich „Durchgewunkener“ Kunde sieht f.d. Wirtschaftsakademie gegenüber Ihrem Auftraggeber, dem Jobcenter gut aus.
Kundengewinnung
Die Aquise der eben benannten Privatkunden gestaltete sich sehr schwer, aber ohne je ein Hochzeitsfoto im Portfolio zu haben, kam nach ein paar Monaten so eine Anfrage. Ich habe ich den Auftrag angenommen, da ich aus der Teilzeit-Phase hier schon erste Erfahrungen gesammelt habe. Ich fotografierte diesen Auftrag mit der 1100 D ohne eine Back-Up-Kamera und mit einem schlechten Gefühl! Ich habe die Stunde damals mit 129,00 € berechnet und zwar auch nur für die Zeit vor Ort.
Ich dachte, die Zeit der Fotonachbearbeitung nicht argumentieren zu können und habe also rechnerisch für ca. 39 € die Stunde die ersten Hochzeiten fotografiert! Ich habe bei den folgenden Jahreswechseln, die Stundenpauschale immer wieder erhöht. Trotzdem blieb zu wenig Geld hängen und mein Selbstwertgefühl gegenüber meinen Kunden verbesserte sich nicht, obwohl diese doch sehr zufrieden waren.
Feedback von Kunden
Komplimente der Kunden konnte ich nie wirklich annehmen. Bis dieser kam:
„Wenn es scheint, jemand sei geboren, nur um Fotograf zu werden und wenn es scheint, dieser jemand sei Fotograf geworden, nur um Deine Hochzeit zu fotografieren, dann ist es Helge Peters! Wir danken Dir, für ein unvergessliches Shooting mit viel Spaß, Kreativität, Spontanität, Emotionen und fantastischen Ergebnissen. Du hast den sprichwörtlichen Nagel auf den Kopf getroffen.”
Das änderte mein Denken, denn alles was ich bisher in meinem Leben gemacht hatte lief darauf hinaus, anderen Leuten zu helfen, Andere zum Lachen zu bringen, glücklich zu machen und hatte mit dem Thema Liebe und Fürsorge zu tun. Das ich Hochzeitfotograf bin, ist also sehr stimmig. Wie ich oft von Kunden höre, haben diese schnell das Gefühl, mich schon ewig zu kennen.
Entertainment-Qualitäten
Ich denke, die dafür verantwortlichen Eigenschaften habe ich auch in meinen sozialen Berufen weiter geschult. Mein Humor ist mir angeboren. Mein Bild-Stil lebt davon, dass meine Kunden sich wohlfühlen, entspannen und eben Spaß haben. Meine Entertainer-Qualitäten nutzen mir also sehr.
Selbstwertgefühl
Ich musste mich also folgendem stellen: Ein mangelndes Selbstwertgefühl ist lange Jahre antrainiert und entwickelt mit den Jahren in Wahrheit einen Nutzen für den Betroffenen: Man hat immer eine Ausrede parat: sich keinen Herausforderungen zu stellen, Verantwortung für Entscheidungen zu treffen und sich durchzusetzen!
Preise
Meine Wertigkeit (meine Selbstwertgefühl auf beruflicher Ebene) bestimme ich selbst, eben durch meine Preise! Wo sehe ich mich denn im Markt wirklich, wenn ich meine Produkte ansehe und vergleiche?
Eigentlich im oberen Viertel der Preisspanne am Markt und nicht am unteren Ende! Ich habe mich dann auch in einigen Punkten dem Markt angepasst, anstatt krampfhaft überall anders sein zu müssen. Anstatt der Stunden-Pauschale habe ich beispielsweise Hochzeits-Paket-Preise entwickelt und die Fotonachbearbeitung mit einkalkuliert. Photo-Editing wird extra vergütet, mein Portfolio habe ich eher aus Kundensicht zusammengestellt (Emotionale, besondere Momente anstatt künstlerisch wertvollen Fotos).
Und trotz einer Preiserhöhung von ca. 300 % im Vergleich zur den Preisen bei Neu-Gründung, sagen mir immer noch Kunden: „Ich hätte auch gerne mehr gezahlt!“ Wie kann das sein? Aber durch das jetzige Marketing, habe ich zunehmend meine Wunschkunden, die meine Wertigkeit schätzen und gerne vergüten!
Diskussionen mit dem Jobcenter
Auch habe ich nicht mehr die Auseinandersetzung mit dem Jobcenter gescheut und Investitionsgenehmigungen für Betriebsmittel eingeholt, weil ich denen mit dem richtigen Selbstwertgefühl einen realistischen Zeitraum für ein Ende der Unterstützung durch das Jobcenter aber eben auch die dafür einfach notwendigen Investitionen, glaubhaft darstellen konnte. Vom Bittsteller zum Geschäftsmann sozusagen.
Wenn man die Unterstützung des Job-Centers genießt, kann man mit seinem erwirtschaftetet Geld nicht frei wirtschaften, weil dies natürlich primär immer zur Minderung oder Rückzahlung der Bezüge dienen soll. Hier gilt es durchzuhalten, denn man arbeitet seine 8-10 Std. täglich für ca. 180 € mehr im Monat, aber eben dem großen Ziel ohne Unterstützung zu leben.
Vom Kleinunternehmer zum Geschäftsmann
Aber nicht nur das Ende der Bezüge, sondern auch das letzte Jahr als Kleinunternehmer fühlte sich gut an. Die getroffenen Änderungen führten im letzten Jahr zu einer Auftragssteigerung von über 100% in den Bereichen Abiball und Hochzeiten. Neben diesen zwei Bereichen sind Business- und Kindergartenfotografie meine Hauptertragsquellen. Akt- und Babyfotografie spielen wirtschaftlich kaum noch eine Rolle. Ich darf seit letztem Jahr andere Fotografen beauftragen, um die Anfragen umsetzten zu können (Doppelbuchungen bei Abibällen und Hochzeiten).
Das Angebot am Bedarf des Marktes ausrichten
Ich musste mich aber auch von einigen Sachen trennen, die mir persönliche Sicherheit gaben: Mein „heiß-geliebtes“ Photo-Editing habe ich nicht mehr in den Fokus gestellt, sondern das Marketing nach dem Bedarf, nach den „Nöten“ der Kunden ausgerichtet. Das sehr gute Google-Ranking der Homepage bei fotograf.de, habe ich schrittweise aufgeben und Pages für die einzelnen fotografischen Themen erstellen mit einer eigenen Domain. Das Portfolio habe ich fortan aus Kundensicht erstellt (emotionale Bilder mit besonderen Monmenten anstatt der künstlerisch wertvollen Fotos).
Persönlichkeit als Fotograf
Natürlich macht auch z.B. ein anständiges SEO, erlernte kaufmännische Fähigkeiten sowie Kooperationen und Austausch mit anderen Fotografen ein Teil meines Erfolges aus, aber dennoch ist meine persönliche Erfahrung: wenn Ihr in Eurer Selbständigkeit nicht weiterkommt, schon viel probiert habt, steht Ihr Euch evtl. mit Eurer Person, mit Euren persönlichen Eigenschaften irgendwo selbst im Weg.
Das kann Euch kein Workshop, Webinar, kein Betriebsberater beibringen. Daher und weil Rückmeldungen meiner Kunden im Wesentlichen meine „Soft-Skills“ loben, komme ich zu meinem Statement am Anfang des Beitrages.
Nun, nur weil es bei mir so war, muss es nicht gleich für alle gelten oder? Schließlich haben ja nicht alle den gleichen Dachschaden wie Ich 😉
Aber vielleicht können wir uns abschließend auf folgendes einigen: Genauso wichtig wie die Basics, die wir in Workshops, Fortbildungen oder von mir aus auch YouTube-Videos lernen können, sind eben auch die Soft-Skills und zu einem erfolgreichen Fotografen gehört sehr viel mehr, als fotografieren zu können.
Ich finde es Klasse, dass du alles so gut und übersichtlich Zusammengefasst hast! Echt eine hervorragende Leistung.
Auch finde ich gut, dass du am Ende einen Fotografen vorgestellt hast, machst du das öfter?
Ja, das ganze ist ein Gastartikel. Schau mal hier, da findest du mehr Informationen: https://fotografr.de/gastautoren/
Hallo Helge,
vielen Dank für den kurzen Einblick in deinen Werdegang und den Gedanken und Überlegungen welche dich zu deinem Schritt zur Selbstständigkeit bewegten.
Gerne mehr von diesen Gastbeiträgen.
Liebe Grüße aus Karlsruhe
Joachim
Vielen Dank.
Bestimmt können wir viel voneinander lernen auch wenn wir nicht zu den Top Ten Fotografen Germaniens zählen ?
Toller Beitrag,
so wichtige Dinge sind erwähnt worden. Jeder hat sein Werdegang und der von Helge ist absolut interessant. Dieser Beitrag motiviert bestimmt auch andere Fotografen. Vielen Dank.
Schöne Grüße,
Tony