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Kostüme und Stoffe für die Modelfotografie (Jamari Lior)

Kostüme und Stoffe: Must-Haves und schöne Kleinigkeiten

Welche Kostüme eignen sich für die fotografische Arbeit?
Welche Kostümteile und Stoffe sollte man selbst besitzen?

Gastbeitrag von Jamari Lior

Ein paar Basisteile gehören in jeden Fotografenfundus, sie können ganze Shootings retten oder stark aufwerten. Hierzu gehören:

Leichte Stoffe

Leichte, am besten bügelfreie oder dekorativ knitternde Stoffe in ausreichender Länge und Breite können Kleider zaubern, Akt verhüllen und unliebsame Location-Elemente ausblenden. Ein Stoffladen wird Ihnen hier die größte Auswahl bieten, allerdings vermutlich nicht zum günstigsten Preis. Stoffreste sind oft stark reduziert, bieten Ihnen aber selten die Menge, die Sie benötigen, um einen Rock zu improvisieren oder einen Akt zu verdecken.

Günstiger sind oft gebrauchte Gardinen aus Second-Hand-Läden oder über das Internet. Gardinen weisen häufig einen Druck oder leichte Farbübergänge auf – doch das muss sich keineswegs nachteilig auf Ihre Bilder auswirken, oft wirkt das sogar hochwertiger als völlig einfarbige Stoffe. Die Raffung von Gardinen kann dem Stoff bereits einen schönen Fall verleihen.

Allerdings sind Gardinen häufig unten beschwert, um gerade zu hängen – für viele Fotomotive, zum Beispiel solche, in denen die Tücher locker fallen oder fliegen sollen, müssten Sie diese Beschwerung entfernen, ebenso wie die Häkchen zur Aufhängung.

Je nach Situation benötigen Sie ganz unterschiedliche Stoffe. Soll der Stoff fliegen, ist ein transparenter dünner Stoff die erste Wahl; um Location- Elemente abzudecken, braucht es einen dickeren Stoff; soll es elegant wirken, ist ein anderer Stoff sinnvoll, als wenn es rustikaler sein soll.

Kleine Stoffkunde

Brokat

Dieser feste, gemusterte Stoff mit Gold- und Silberfäden wirkt edel und fällt eher steif.

Chiffon

Dieses dünne, schleierartige Gewebe aus Seide oder Kunstfaser besitzt ein unregelmäßiges Oberflächenbild und fühlt sich, wenn man es zwischen den Fingern reibt, leicht sandig an.

Filz

Filz ist ein textiles Flächengebilde aus ungeordnetem, nur schwer zu trennendem Fasergut; es handelt sich also nicht um eine gewebte Textilie. Filzplatten gibt es in unterschiedlichen Stärken und Filz kann in unterschiedliche Formen gebracht werden, typisch sind zum Beispiel Filzhüte.

Lack

Hierbei handelt es sich um einen Beschichtungsstoff. Wird Lack nichtglatt getragen oder gelagert, tendiert vor allem dünn beschichteter Lack zum Brechen.

Latex

Latex meint hier ein Material aus Naturkautschuk oder Gummi, es ist glatt und nicht atmungsaktiv. Latex wird in der Regel nicht genäht, sondern bereits in Form getaucht oder geklebt. Um seinen Schein zu erhalten, muss Latex mit Glanzspray oder besonderem Öl eingeschmiert werden.

Leinen

Leinen ist ein meist gröberes Gewebe aus Flachsfasern. Besonders natürlich wirkt das grobe Sackleinen oder Jute.

Molton

Dieses weiche, aus Baumwolle bestehende Gewebe reflektiert nicht und wird daher gerne als Hintergrundstoff verwendet. Schwarzer Molton schluckt Licht, sodass darauf stehende Modelle je nach Lichtsetzung wie schwebend wirken.

Nessel

Nessel wurde ursprünglich aus den Fasern der Brennnessel hergestellt, heute ist es meist ein Baumwollgewebe. Nessel ist sehr strapazierfähig und gut geeignet für Stoffhintergründe oder rustikale Looks.

Organza

Dieser Begriff bezeichnet ein sehr transparentes und schillerndes Gewebe, das vor allem in Form von Seidenorganza zum Knittern neigt. Polyesterorganza ist hier pflegeleichter.

Plissee

Hierbei handelt es sich nicht um einen Stoff, sondern um kleinere regelmäßige Falten, in denen ein Stoff durch bestimmte Webtechniken oder nach Hitze- bzw. chemischer Behandlung fällt.

Samt

Samt ist ein Gewebe mit eingearbeitetem Fadenflor, das sich weich anfühlt. Schwarzer Samt säuft rasch ab.

Satin

Satin, ein für Brautkleider gerne genutzter Stoff, hat eine glänzende glatte Oberseite und eine matte Unterseite. Weißes Satin tendiert zum Überstrahlen, schwarzes zum »Absaufen«.

Seide

Diese edle Faser wird aus den Kokons der Seidenraupe hergestellt. Seide fühlt sich glatt an, schimmert und glänzt. Sie ist allerdings relativ pflegebedürftig, darf nur von der Rückseite gebügelt und nicht ausgewrungen werden.

Taft

Dieses halbsteife Gewebe wurde früher aus Seidenfasern, heute meist aus Polyester hergestellt. Es hat eine feine Oberfläche mit matter Optik, ist strapazierfähig – knittert jedoch leicht.

Tüll

Tüll ist ein gleichmäßiges, netzartiges Gewebe. Frisch gekauft, ist Tüll oft gestärkt und fällt dadurch nicht fließend, sondern bleibt steif. Dies macht man sich zum Beispiel bei Tutus zunutze, die so über mehrere Tülllagen ihren Stand erhalten. Wird der Tüll nass oder gewaschen, fällt er fließend.

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Foto: Jamari Lior

Beige, schlichte Dessous

Eigentlich gehören diese in den Modelkoffer. Was aber, wenn das Model sie vergessen hat? Oft schimmert gerade die beliebte schwarze Unterwäsche durch Kostüme und Stoffe, und nicht jedes Model wäre bereit, sich von dem Höschen zu trennen. Haben Sie lieber vorgesorgt – am besten mit frisch verpackten Höschen, so schlicht wie möglich. BHs eignen sich nur eingeschränkt aufgrund der unterschiedlichen Größen, dennoch empfehle ich Ihnen, drei hautfarbene T-Shirt-BHs (die sich also unter Stoff möglichst wenig abzeichnen) in 70A, 75B und 80C zu kaufen, am besten solche Modelle, die man auch trägerlos verwenden kann.

Tutu

Mit Tutus, Balletttüllröckchen, können Sie multifunktionell arbeiten. Sie taugen als Röckchen ebenso wie als Schulterputz oder Hut. Als Tutu wird mittlerweile viel verkauft, was besser unter dem Namen »kurzer Rock« laufen sollte – schauen Sie nach einem Modell mit gestärktem Tüll, das einigermaßen fluffig fällt. Sie sollten es nach Möglichkeit nicht waschen, da der Tüll sonst zusammenfällt.

Handschuhe

Hiermit meine ich elegante Damenhandschuhe, vorzugsweise nicht die ganz billigen Karnevalsmodelle aus Satin, die sehr viele Falten werfen und gerade in Weiß und Schwarz zum Überstrahlen bzw. Absaufen tendieren. Die eleganten Varianten gibt es meist eher in Beige, Braun oder Schwarz, klassischerweise in Leder, aber auch in Häkelstoff. Solche Handschuhe können viel retten

Manch ein Modell hat abgekaute Fingernägel, ein anderes hat sich im Nagelstudio zum Shooting unpassende Designs aufbringen lassen. Schon bei leichtem Flüssigkeitsmangel fallen die Handadern oft stark auf, wodurch das Model älter wirkt als nötig. Handschuhe kann man, sollte Bildmontage geplant werden, meist auch leichter freistellen als bloße Hände.

Sari

Eine lange Stoffbahn, mit der ein indisches Kostüm gewickelt wird, können Sie in verschiedenster Weise zum Kleid oder Hintergrund dekorieren. Wie man den Sari exakt anlegt, entnehmen Sie Anleitungen, die bei internationalen Käufen oft beiliegen oder im Internet zu finden sind, oder lassen Sie es sich in einem indischen Shop zeigen.

Schmuck

Hierzu zählen zum Beispiel Perlenketten. Im Weihnachtsbedarf finden Sie Perlenketten in matt oder glänzend auf Spulen aufgewickelt – das ist die günstigste Alternative zu »richtigem« Halsschmuck. Allerdings bergen Perlenketten auch einen entscheidenden Nachteil

Aufgrund ihrer gleichmäßigen Form erschweren sie die Bearbeitungsmethode des Verflüssigens, die zum Beispiel bei der Figurretusche oft zum Einsatz kommt. Eng am Hals anliegende Ketten, sogenannte Choker, eignen sich gut für Porträtthemen und lassen sich gegebenenfalls auch als Haarreif in die Frisur stecken.

Eine günstige Alternative hierzu bieten Bandapplikationen, wie sie im Nähbedarf verkauft werden. Ein besticktes oder mit Rüschen besetztes Band, um den Hals gebunden, ist kaum von einem als solches designten Schmuckstück zu unterscheiden. Selbiges Band kann auch für den Armschmuck zum Einsatz kommen.

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Foto: Jamari Lior

Masken

Gleich ob dünne Stoffmasken, die die Augen betonen, oder Masken, hinter denen ein ganzes Gesicht verschwindet – Masken sind tolle Accessoires, die ein breites Assoziationsspektrum eröffnen. Oft enthüllen Masken mehr, als sie verdecken, enthüllen Scham, Begierden und Wünsche. Es geht ums Verstecken, um Geheimnisvolles, damit oft auch um erotische Spannung. Dies ist vor allem bei Akt- und Dessous- Shootings der Fall.

In der Hand des Models sind sie Symbol für Abwesendes, für einen imaginären Menschen hinter der Maske und stehen für Sehnsucht und Einsamkeit. Außerdem verweisen Masken auf die Rollen, die wir im Leben spielen müssen, entlarven den Alltag als Maskenball.

Ganz praktisch betrachtet haben Masken noch den Vorteil, schlechtes Make-up, unpassende Mimik oder Ähnliches zu verdecken und Modellen Shootingbereiche wie Dessous oder Akt zu eröffnen, denen sie in erkennbarer Variante nicht zustimmen würden.

Pumps, vorne geschlossen und hinten offen

Ein Paar schicker Schuhe rettet das Shooting, wenn das Model seine vergessen hat. Schuhe, die vorne geschlossen und hinten offen sind, lassen sich am besten größenunabhängig gestalten. Wer zu kleine Füße hat, bekommt die Schuhe vorne ausgestopft, zu große Füße können hinten etwas überstehen und lassen sich im Verflüssigen-Tool in Photoshop anpassen.

Ballett-Spitzenschuhe mit Einlagen

Nicht jedes Model wird auf Spitze stehen können – versuchen Sie es nicht zu überreden, denn das kann Verletzungen mit sich bringen! Manche Modelle schaffen es aber in graziösen Posen. Hierfür braucht es besondere Einlagen aus Stoff oder Silikon, die Sie zusammen mit den Schuhen erwerben können. Aufgrund dieser Einlagen kauft man sich die Spitzenschuhe ein wenig zu groß.

Allerdings fällt zumindest im Sitzen die Größe nicht ganz so ins Gewicht, da man sie meist mit einem Band anpassen kann und bei zu kleinen Füßen einfach vorne Platz gelassen wird, zu große Füße im schlimmsten Fall hinten etwas überstehen. Auch im Sitzen entfalten Spitzenschuhe ihren Charme, lassen Ballett und Grazie assoziieren ebenso wie einen Hauch Devianz

Die Schuhe verhindern den normalen Gang zugunsten von Grazie. Ganz besonders gilt das für Fetisch-Spitzenschuhe, die oft zusätzlich noch einen Absatz haben, sodass man sich gar nicht von der Spitze herabbewegen kann. Wichtig ist in jedem Fall, dass das Model die Füße durchstreckt. Im Sitzen kann man auch ein Bein nach vorne auf die Spitze stellen. Es reichen übrigens gebrauchte Spitzenschuhe, die – sofern »Stehen auf Spitze« geplant ist – allerdings nicht völlig zertanzt sein sollten.

Korsetts

Korsetts machen aus einfachen Stoffen Kostüme und können manch unförmiges Outfit verschönern. Außerdem helfen sie, wenn ein Model zwar ein BH-artiges Kostüm tragen, aber nicht bauchfrei sein möchte. Anders als andere Kleidungsstücke sollte man Korsetts nicht vorsichtshalber etwas zu groß kaufen – denn einmal eng geschnürt, kann man sie nicht weiter verkleinern und es fällt auf, wenn ein schlankes Model im Korsett »schwimmt«. Mit ganz weit geöffneter Schnürung passt es sich auch an breitere Modelle an.

Ich würde für den Anfang ein Hüftkorsett vorschlagen, das ist günstiger und freier kombinierbar als ein Voll- oder Unterbrustkorsett. Als Farbe empfehle ich, sofern Sie kräftige Farben mögen, leuchtendes Rot, Grün oder Blau. Diese Farben lassen sich gut ineinander umfärben und gegebenenfalls entsättigen.

Gleiches gilt für die Pastelltöne, Rosa wird leicht zu Hellblau oder Beige. Echte Korsetts haben eingearbeitete Metallstäbchen und lassen sich wirklich schnüren. Sie sind mit ab ca. 40 Euro etwas teurer als Pseudokorsetts bzw. Korsagen, die kaum Schnürwirkung ergeben, sparen Ihnen aber Figurbearbeitungszeit.

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Foto: Jamari Lior

Perücken

Sollte keine Visagistin da sein und das Model sich in puncto Hairstyling schwertun, stellen Perücken einen Ausweg dar. Man muss sie nicht »komplett« aufsetzen, denn gerade bei billigeren Perücken sieht das nur dann realistisch aus, wenn diese einen Ponyhaarschnitt aufweisen. Ansonsten kann eine Perücke in derselben Farbe wie das Haar des Models auch ein Stück hinter dem Haaransatz befestigt werden und einfach nur die vorhandene Frisur aufwerten.

Wenn Sie unbedingt aalglatte oder gelockte Haare möchten oder wenn es eine toupierte wilde Mähne sein soll, helfen Perücken, die Frisur bei Wind und Wetter und einem langen Shootingtag einigermaßen in Position zu halten, und strapazieren die eigenen Haare nicht.

Über Jamari Lior

Jamari Lior stand zunächst selbst bei zahlreichen Shootings als Model vor der Kamera und wechselte dann die Perspektive. Als promovierte Medienethnologin betrachtet sie die theoretische Seite der Fotografie, als freiberufliche Fotografin beherrscht sie die praktisch-gestalterische Seite der inszenierten Menschenfotografie.

Sie unterrichtet medienbezogene Themen an verschiedenen Institutionen und ist Redakteurin eines Fotomagazins.

Website

Kreative Modelfotografie

Dieser Beitrag stammt aus dem Buch „Kreative Modelfotografie“ von Jamari Lior

Jamari Lior
Kreative Modelfotografie
Originelle Low-Budget-Lösungen für drinnen und draußen
320 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband
dpunkt.verlag
ISBN Print: 978-3-86490-347-2

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* Amazon Links sind Werbelinks, letzte Aktualisierung am 14.03.2024

2 Kommentare zu „Kostüme und Stoffe für die Modelfotografie (Jamari Lior)“

  1. Vielen Dank für die Zammenfassung. Als männlicher Fotograf macht man sich damit manchmal sehr schwer 😉

    Das Buch klingt auf jeden Fall spannend für mich… Muss ich mir mal genauer anschauen
    Gruß aus Berlin

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