Wie verdient man sich das Vertrauen eines Models?

6. Mai 2015Dezember 8th, 20205 Kommentare

Von Cora und Georg Banek

Vielleicht klingt das für Sie jetzt zu abgehoben, zu tiefenpsychologisch oder sogar esoterisch. Dann versetzen Sie sich einmal gedanklich in die Rolle Ihres Modells: Wie würden Sie sich fühlen, wenn irgendein fremder Mensch Fotos von Ihnen machen würde? Wie ändert sich dieses Gefühl, je nachdem, ob der Fotograf Ihnen sympathisch oder unsympathisch ist? Wie würden Sie sich fühlen, wenn der Fotograf nur das Allernötigste zu Ihnen sagt oder aber vor dem Shooting und währenddessen locker und interessiert mit Ihnen plaudert?

Wenn Sie die Möglichkeit haben, dann vollziehen Sie diesen Rollenwechsel einmal tatsächlich und begeben sich auf die andere Seite der Kamera. Am besten mit einem Ihnen unbekannten, noch unerfahrenen Fotografen. Sie werden sehr schnell feststellen, wie unangenehm sich das anfühlen kann. Diese Erfahrung ist sehr viel hilfreicher und nachhaltiger, als wir es Ihnen hier mit Worten vermitteln können.

Natürlich hat das Verhältnis zwischen zwei Personen immer zwei Ausgangspunkte. Wenn Ihr Modell Sie beispielsweise einfach nicht leiden kann, haben Sie schlechte Karten. Dennoch wird dieses Verhältnis zu einem sehr großen Teil von Ihnen als Fotografen gestaltet und geformt. Denn Sie sind der aktive, der bestimmende Teil, Sie geben innerhalb eines Rahmens vor, was gemacht wird und wie das Shooting abläuft. Durch Ihr Verhalten, durch Ihre verbale und nonverbale Art der Kommunikation und durch das, was Sie sagen, haben Sie einen enorm großen Einfluss auf die Gefühle und das Verhalten Ihres Modells.

Man kann sogar so weit gehen zu sagen, dass der Fotograf ein Modell fast beliebig steuern kann, wenn er weiß, wie. Selbstverständlich sind die Menschen sehr unterschiedlich. Das eine Modell ist skeptischer, das andere vertrauensseliger, das eine offen und extrovertiert, das andere schüchtern und in sich gekehrt.

Wenn Sie also viele unterschiedliche Menschen fotografieren wollen, sollten Sie auch wissen, wie Sie mit diesem Menschentyp jeweils umgehen, wie sie Ihr Gegenüber behandeln sollten, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Dazu müssen Sie idealerweise über ein sensibles Gespür für Menschen, eine gute Menschenkenntnis und eine hohe kommunikative Bandbreite verfügen. Je stärker Sie Ihr eigenes Verhalten variieren und sich auf fremde Menschen einstellen können, desto unterschiedlichere Menschentypen können Sie fotografieren. Charaktereigenschaften wie Toleranz, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und ein aufrichtiges Interesse am Menschen sowie ein grundsätzlich positives Menschenbild sind dabei sehr hilfreich.

Um diesem Idealtypus eines Porträtfotografen näher zu kommen, bedarf es durchaus auch jeder Menge Arbeit an sich selbst. Der schwierige Balanceakt dabei ist jedoch, die eigene Persönlichkeit und die individuellen Besonderheiten nicht aufzugeben. Denn die Aufrichtigkeit und Authentizität der Persönlichkeit des Fotografen fließt ebenfalls in das Verhältnis zwischen den beiden Beteiligten ein.

Das zwischenmenschliche Verhältnis zwischen dem Fotografen und seinem Modell ist für das Ergebnis ganz sicher eine der allerwichtigsten Zutaten überhaupt – viel wichtiger als das Licht oder die Brennweite. Gleichzeitig ist es auch der am schwierigsten zu erlernende und zu beherrschende Faktor überhaupt. Auch nach vielen Jahren Erfahrung muss man sich als Porträtfotograf auf jedes Modell immer wieder neu einstellen und wird trotzdem immer wieder überrascht.

Dennoch: Genau in der Steuerung der Fotografen-Modell-Beziehung liegt das Erfolgsrezept, um Ihre Porträts zu verbessern. Die folgenden drei Säulen, auf denen das Verhältnis zwischen Modell und Fotograf ruht, können Ihnen auf dem Weg dorthin als Orientierung dienen.

Wie können Sie Vertrauen erarbeiten und erhalten?

• Das Modell niemals anfassen
• Professionelle Distanz
• Ehrlichkeit in allen Belangen
• Freundliches Auftreten
• Klare Kommunikation
• Positive Kommunikation
• Ehrliche Komplimente
• Keine Zweideutigkeiten
• Vorgespräch führen
• Modell zu nichts überreden
• Begleitpersonen erlauben
• Foto von sich selbst im Portfolio
• Eigenen Namen und Kontaktdaten nennen
• Vertrag vorher zuschicken
• Sich an den Vertrag halten

Ein offenes Wort an die männlichen Fotografen

Wenn Sie als (älterer) Mann eine (jüngere) Frau fotografieren, dann sollten Sie ganz besonders sensibel vorgehen. Machen Sie Ihrem Modell sehr deutlich, dass es Ihnen lediglich um die Bilder geht und dass Sie keinerlei Grenzen übertreten werden. Und machen Sie sich selbst eines ganz deutlich bewusst: Wenn eine Frau lang und anhaltend mit einem Lächeln in Ihre Kamera sieht oder sogar mit ihr flirtet, dann tut sie das für das Ergebnis, für die Bilder. Selbst wenn sie dabei freundlich mit Ihnen spricht, bedeutet das nicht, dass die Frau Interesse an Ihnen als Mann hat.

Aus sehr vielen Gesprächen mit unseren Modellen wissen wir, dass die meisten Fotografen dies leider missinterpretieren und sich eben nicht korrekt verhalten. Das ist auch der Grund dafür, dass die allermeisten weiblichen Modelle sich lieber von Frauen fotografieren lassen. Insofern können Sie sich als Mann ganz einfach von der Masse absetzen, indem Sie sich korrekt und feinfühlig verhalten und eine professionelle Distanz wahren.

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Dieser Artikel ist ein Ausschnitt aus dem Buch
Cora Banek / Georg Banek
Porträtfotografie 1
Der Mensch als Motiv
39,90 Euro(D) / 41,10 Euro(A)
400 Seiten, komplett in Farbe, Festeinband
dpunkt.verlag
ISBN: 978-3-86490-225-3

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Über Cora / Georg Banek

Cora und Georg Banek leben und arbeiten in Mainz, wo sie Mitte 2009 ihr Unternehmen um eine Fotoakademie erweitert haben. Vorher waren sie hauptsächlich im Bereich der Auftragsfotografie für Unternehmen und Privatpersonen tätig und schreiben seit 2004 für Fachzeitschriften und Buchverlage.

5 Kommentare

  • Den Tipp mit selbst vor der Kamera stehen, wurde bereits ausprobiert.
    Mir war es schwer unangenehm. Da bleib ich lieber hinter der Kamera 😉
    Hat das Verständnis für die Unsicherheit und das unangenehme Gefühl der „Models“ geschärft.

  • Bernd sagt:

    Ein grundsätzlich schöner Beitrag, dem ich größtenteils auch zustimmen kann.
    Etwas bedenklich finde ich den letzten Absatz.
    Ich selbst bin 52 Jahre alt, ein Teil meiner Modelle (ja, auch Akt) könnte vom Alter her meine Tochter sein.
    Bin ich deshalb nun automatisch ein „Lustgreis“ der nur das eine im Kopf hat?
    Oder muss ich nur auf Grund meines Alters nun verpflichtend jedem Modell vorher versichern, dass es mir wirklich, wirklich nur um schöne Bilder geht?
    Nein.
    Es gibt sicher etliche Modelle, die dahingehend auch schon negative Erfahrungen gemacht haben. Und sicher gibt es auch „Fotografen“, die sich von einem Shooting wohl mehr erhoffen.
    Letztendlich kommt es einfach nur auf das Verhalten zueinander an – Genau so, wie es in dem Artikel auch beschrieben wurde.
    Mein Grundsatz lautet „Behandle dein Modell immer so, dass es auch weiterhin jederzeit mit dir arbeiten möchte“
    Daher musste ich auch noch nie meine Modelle im Vorfeld „beruhigen“, was meine Motive betreffend des Shootings betrifft. Und ich habe dadurch einen Modelstamm, auf den ich immer wieder zurückgreifen kann. Mal ganz davon abgesehen, dass ich bei diesen Modellen weiß, dass ich mich auf sie verlassen kann. Aber das ist ein anderes Thema…
    LG
    Bernd

    • Ralf H. Badera sagt:

      „Etwas bedenklich finde ich den letzten Absatz.
      Ich selbst bin 52 Jahre alt, ein Teil meiner Modelle (ja, auch Akt) könnte vom Alter her meine Tochter sein.
      Bin ich deshalb nun automatisch ein “Lustgreis” der nur das eine im Kopf hat?“
      Dieses Denkschema ist leider weit verbreitet und stigmatisiert bereits im Vorfeld. Traurig aber wahr.

      Zum Thema:
      Die Problematik des Umgangs mit dem Model ist nicht neu und wurde auch schon von verschiedenen Leuten immer wieder diskutiert (u.a. Martin Krolop und Hauke Fischer), wird jedoch im Hobby- und Amateurbereich häufig vernachlässigt. Dabei sind der Ausdruck und die passende Pose (*) entscheidend für tolle Fotos. Nur bekommt man die nicht geschenkt, und auf Kommando „guck mal verträumt/hypnotisch/wie-auch-immer“ klappt höchstens bei Profimodels. Daher ist es eine Hauptaufgabe für den Fotografen, den Ausdruck des Models hinzubekommen und nicht auf das Model abzuwälzen. Das funktioniert nur mit einem vernünftigen Umgang miteinander und wenn der Fotograf es schafft, das Model in die gewünschte Stimmung zu bringen. Das ist einfacher gesagt als getan…
      M.E. sollte man mit dem Model natürlich, normal und respektvoll umgehen. Anzüglichkeiten und Späße kommen nicht bei jedem an, wer auf Nummer sicher gehen will, unterlässt dies.
      Verfeinern kann man das Thema natürlich noch genug, z.B. macht es m.E. einen Unterschied, ob ich Freunde/Verwandte fotografiere, die es nicht gewohnt sind, fotografiert zu werden, oder Modelle auf TfP-Basis oder Modelle bei Payshootings.
      Und zurück zum Beitrag von Cora und Georg Banek: Halte ich für sinnvoll und richtig. Weil wie ich oben schon schrieb: Das Thema wird leider oft vernachlässigt, ebenso wie das Posing. Eigentlich müsste man aus dem Thema ein ganzes Buch voll bekommen inhaltlich, da auch noch einige psychologische Komponenten mit rein spielen, ebenso wie Menschenkenntnis.

      (*) Passende Posen sind eigentlich auch schon fast eine Kunst für sich. Eine beliebige Pose aus einer Vorlage zu greifen und dem vorhandenen Model zu verpassen, funktioniert nicht zwangsläufig. Der Weg sollte m.E. eigentlich anders herum sein: Welche Pose passt zu diesem Model?

  • BILDWOLKE sagt:

    Da hatte ich wirklich noch nie ein Problem damit, aber ich glaube das ist wirklich sehr individuell. Man muss es nur richtig verstehen dem Model das Essentiellste glaubwürdig rüberzubringen, dass man wirklich nur an Fotos interessiert ist, und sonst an gar nichts. Wenn man dies glaubhaft anbringt dann ist das schon die halbe Miete für eine gute Zusammenarbeit mit Mehrwert für beide Parteien.

  • Ein an und für sich interessanter Artikel. Der letzte Absatz macht mich etwas nachdenklich, Zitat: Aus sehr vielen Gesprächen mit unseren Modellen wissen wir, dass die meisten Fotografen dies leider missinterpretieren und sich eben nicht korrekt verhalten. Zitat Ende. Für mich als 58jähriger Fotograf mit 38 Jahren Praxis fast nicht vorstellbar. Ich kann mir denken, dass es sich da um eine Minderheit (hoffe es jedenfalls) handelt. Solche, die nur gucken und sich aufg… wollen. Bei uns sind bei Erotikshooting IMMER meine Partnerin oder eine andere Frau dabei. Und Begleitpersonen sind auch immer willkommen oder sogar erwünscht.
    Gruss Hanspeter Müller

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