Wie man ein Video-Shooting versemmelt

11. August 20148 Kommentare


In einem Beitrag auf dem Blog von Chase Jarvis erzählt uns Corey Rich, wie man ein Video-Shooting versemmelt. Er berichtet aus der Situation eines Fotografen, der merkt, dass die bewährten Arbeitsabläufe eines Fotoshootings bei einem Video-Shooting nun nicht mehr funktionieren.

Seine Highlights sind:

  • Dir wird die Zeit davonlaufen
  • Du wirst Probleme mit dem Ton bekommen
  • Du überforderst Deine Assistenten
  • Du hältst Dich für einen guten Interviewer
  • Du vergisst Verlängerungskabel
  • Du machst Nahaufnahmen von Gesichtern, ohne dass eine Visagistin dabei ist
  • Die Clips sind zu kurz
  • Du schwenkst zu viel
  • Du fabrizierst ein vertikales Video
  • Du vermurkst den Weißabgleich
  • Du arbeitest mit einem dreckigen Sensor

Die genauen Erläuterungen der einzelnen Punkte könnt Ihr im Artikel von Corey Rich nachlesen.

Aus meiner Sicht möchte ich aber noch ein paar typische Fehler nachschieben, die man als Fotograf gerne macht, wenn man sich neu mit dem Thema Video beschäftigt:

Du verwendest kein Stativ

Nur wenn die eigene Kamera einen sehr guten Bildstabilisator hat oder man über eine sehr ruhige Hand verfügt, kann man guten Gewissens auf ein Stativ verzichten. Für den Anfang ist ein Stativ in meinen Augen unverzichtbar. Gute Videoschnitt-Software verfügt zwar über die Möglichkeit einer nachträglichen Bildstabilisierung, aber die gerät auch schnell an ihre Grenzen.

Du vertraust dem Autofokus

Der Autofokus der Kamera, der bei Fotoaufnahmen zuverlässig funktioniert, hat bei Videoaufnahmen erheblich größere Probleme. Daher ist es in den meisten Fällen am besten, ganz darauf zu verzichten und manuell zu fokussieren.

Du denkst: Das kann ich alles später retuschieren

Der kleine Pickel auf der Wange oder die Haarsträhne, die unschön absteht, sind bei einem Fotoshooting kein großes Problem, weil sie sich schnell retuschieren lassen. Bei einem Video-Dreh sieht das schon ganz anders aus: Da ist eine Retusche nur mit erheblich höherem Aufwand möglich.

Du hältst die Kamera schief

Das ist ein Problem, das man beim Schnitt korrigieren kann, aber besser ist es, gleich daran zu denken, die Kamera waagerecht auszurichten.

Du unterschätzt die B-Role

Für den Videoschnitt benötigt oft sehr viel B-Role-Material, also zum Beispiel Nahaufnahmen oder Szenen ohne gesprochenes Wort, die man zwischen die einzelnen Takes schneiden kann. Das lernt man zwar relativ schnell, unterschätzt aber doch immer wieder, wie viele von diesen kleinen Schnipseln man braucht.

Soweit meine Tipps für den Video-Dreh, die sicher nicht vollständig sind.

Was sind Eure Erfahrungen? In welcher Hinsicht musstet Ihr Euch als Fotografen umgewöhnen, als Ihr die ersten Male ein Video gedreht habt? Ich bin auf Eure Kommentare gespannt.

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Über Michael Omori

Nach vielen Jahren als Berufsfotograf arbeite ich heute als Mentor und Coach für kreative Unternehmer. Mehr über mich

8 Kommentare

  • DER FEHLER! Den meisten fällt er nicht auf, Jahre später lachen wir darüber. Alle Punkte mit ´nem Haken versehen, Souveränitat und Erfahrung, Empathie und ab dafür. „Jede Mücke sticht“ sprach der Unternehmensberater; „Neeee“ schreit der Videograf und teilt die Peinlichkeit.

  • Genau so ist das. Und das Stativ wird noch wichtiger, wenn man manuell fokussiert. Denn wenn die Schärfe einmal stimmt, wäre es toll, wenn die Kamera auch da bleibt, wo sie beim Scharfstellen war.
    Dazu sollte man wirklich jede Automatik ausschalten. Bei Events probiere ich es doch immer mal wieder, einfach schnell auf den roten Knopf zu drücken und zu hoffen, dass die Kamera das schon hinbekommt. Die Antwort ist aber fast immer nein. Sogar der automatische Weissabgleich kann einem die Aufnahme versauen, in dem die Farbe bei laufender Aufnahme wechselt.
    Filmen für Fotografen ist echt so ein Kapitel für sich 😉

  • Michael sagt:

    Ich hab viel zu viel und vor allem viel zu schnell geschwenkt. Weiter habe ich auch viel zu wenig B-Role-Material aufgenommen. Und wir hatten am Schluss viel zu viel Hall drauf. Aber das war eher der mangelnden Ausstattung geschuldet. Wenn man indoor nur ein Richtmikro auf der Kamera zur Verfügung hat, kann das eben durchaus problematisch sein…

  • Ralf sagt:

    Mir klingt es heute noch in den Ohren: „Zu kurz, zu schneeeeell…“ Ca. Anfang 1970er Jahre, wenn ich mal die Normal8 Nizo-Filmkamera des Vaters in die Hand nahm und zu kurz draufdrückte oder mal wieder viel zu schnell schwenkte. Hat sich also nichts geändert, in über 40 Jahren 😉 Mit Interesse habe ich vor kurzem auch das eine oder „antike“ Werk der 1950er Jahre zum Thema Schmalfilem studiert. Bisweilen „hölzern“ aber hat fast alles noch Gültigkeit!

    Ralf

  • Nofu sagt:

    http://en.wikipedia.org/wiki/B-roll

    Es ist eine zweite Rolle Film, keine Nebenrolle …

  • Ralf sagt:

    Videografieren…

    Ganz unabhängig von Corey Richs Ratschlägen. Erst mal überhaupt anfangen… Aber womit? Ohne Menschen! Und was?

    Ich hatte als Einmann-„Team“ ca. 2,5 h Zeit für dieses Machwerk:

    http://youtu.be/i_dz6kBph2M

    und noch wenig Erfahrung… OK, das sieht man auch. Es besteht deshalb kein Zwang sich das komplett anzuschauen! Immerhin war die Kenntnis der „Location“ bereits vorhanden. Und ein bisschen im Kopf, was ich Ostern 2013 statt einer auch möglichen Full HD-Überblenddiaschau in bewegten Bildern haben wollte. Wer will, kann das Drehbuch nennen. Als das wichtigste Hilfsmittel hatte sich neben der Kamerawahl ein einfaches Steadycam/Schwebestativ erwiesen! Die Kamerawahl fiel auf eine simple Sony NEX3 nur mit dem 2,8/16 mm Pancake – also 24 mm @KB. Im Komplett-Automatikbetrieb und bei dem Modell eben „nur“ 1280x720p HD. Aber ohne mit dem verhassten Dreibein zu hantieren, irgendwelche unbezahlbare Schienen zu legen und ständig auf den abgeschirmten Monitor einer besseren NEX, Lumix Oly oder DSLR zu starren. So entstand der gezeigte Rundgang mit fast dauerlaufender Kamera. Nochmal: Gesamtaufnahmezeitaufwand keine 3 h. Das Ganze übrigens fast komplett „blind“ gefilmt, da ich zuviel Muffen hatte, mich auf dem Gelände langzulegen. Also mehr/nur darauf geachtet, wo ich hintrat als auf den Monitor geschaut. Deshalb auch die 24 mm @KB.

    Hätte ich die vorhandene DSLR genommen, wäre auch auf jeden Fall eine kurze MF-Festbrennweite oder alternativ AF bei abgeschaltetem AF montiert worden. War mir aber schon zu schwer! Wieder für aus der Hand per größerem = schwererem Schwebestativ…

    Geschnitten wurde natürlich hinterher, wobei es dann schon losging/losgeht: Wieviel harte Schnitte, wieviel Überblendenungen, um sich bei letzteren auf die „weiche“ und eine Iris-Blende zu beschränken. Irgendwie fehlt da Praxisliteratur, oder ich habe sie noch nicht gefunden, was denn nun richtig ist. Immerhin hatte ich schon mal von einem „Achsensprung“ gehört 😉 Für die „Luftaufnahmen“ kam statt einer Drone eine simple Actioncam auf der Teleskopangelrute zum Einsatz. Mit dem amateurhaften Fehler die laufende Dateneinbelichtung der Actioncam auf dem winzigen Monitor übersehen zu haben 🙁

    Und für mich generell ganz furchtbar: Die Wahl der Hintergrundmusik… Natürlich GEMA-frei – hoffentlich! Es hat mich mehr Zeit gekostet halbwegs brauchbare Lala und die dazugehörigen noch bezahlbaren CDs/DVDs zu finden. Bei mehr Qualität steigen die Preise rasant, und von aktuellen wie alten „Hits“ namhafter Musiker lässt man tunlichst die Finger. Wobei diese ganze abgabenfreie Hintegrundmusikwelt und ihre Begleittexte auf den Datenträgern oft extrem schwammig formuliert sind. Dass zu oft Zweifel bleiben, darf ich das wirklich risikolos verwenden?

    Erst DANACH fange ich an über die von Corey Rich gelisteten Fehler nachzudenken 😉 Wo ich eh noch Lichtjahre von entfernt bin…

    Ralf

  • Helmut sagt:

    Hallo Michael,
    sehr gut geschrieben und, wie Du schon erwähntest, es gibt noch haufenweise Dinge, durch die man einen Videodreh versemmeln kann, aber darüber könnte man sicher ganze Bücher schreiben.
    Wenn ich z.B. ein Interview drehe, dann IMMER mit manuellem Fokus und voreingestelltem Weißabgleich ! Ein Interview zu drehen, ist ja noch die „einfachste“ Variante des Videodrehs. Wenn ich da an Open-Air Konzerte denke, bei denen sowohl die Farbtemperatur, als auch die Helligkeit fast sekündlich wechseln, kommt mir heute noch ein kalter Schauer über den Rücken 😀
    Dagegen sind Interwiews in einem Studio oder auch outdoor, das reinste Vergnügen, und was die obligatorische Pickel im Gesicht angeht, die bekommt man heute auch schon recht einfach entfernt. Natürlich ist eine Visa immer besser, aber wenn man denn mal keine zur Hand hat oder der Pickel übersehen wurde, hilft hier (z.B. bei Adobe After Effects) der Camera Tracker in Kombination mit diversen beauty Plugins. praktisch das Gleiche wie in Poposhop, nur mit bewegten Bildern und das Ganze dann automatisiert. Das „B-Role-Material“ sollte eigentlich auch immer Pflicht sein.
    Ich nehme es meist kurz vor dem eigentlichen Interview auf und wenn die Zeit es erlaubt, auch noch mal hinterher.

    Beste Grüße: Helmut

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