Der Fotokoffer eines professionellen Fotografen

Wie die Ausrüstung eines professionellen Fotografen aussieht, interessiert sehr viele Amateur-Fotografen. Aber auch für Berufskollegen ist immer wieder spannend zu sehen, wie andere Fotografen arbeiten. Der Industriefotograf Christian Ahrens hat in der Vergangenheit etliche Artikel über seine Arbeit, seinen Werdegang und seine Arbeitsweise hier veröffentlicht. Den aktuellen Stand zum Thema GEAR beschreibt er in einer großangelegten Artikelserie. Ein erster Teil ist auf seinem eigenen Blog erschienen

Der zweite Teil erscheint hier bei fotografr. So wird es auch in Zukunft gehandhabt werden: alle weiteren Beiträge in dieser Serie erscheinen immer wechselseitig auf den beiden Blogs und werden untereinander verlinkt.

Kleine Rückblende zur Philosophie meines Fotokoffers als Einheit: Der Grundgedanke ist ja der, dass ich jede Fotoproduktion im Notfall nur mit meinem Koffer bestreiten könnte. Dazu gehören nicht nur Kameras und Objektive, sondern auch Licht. Und vielleicht auch so etwas Essentielles wie mein Heuschnupfenmittel…. 🙂 Wem die Augen brennen, der kann nicht oder nur schlecht fotografieren. Lebenswichtige Dinge eben. Nun, solche Dinge und ein paar andere mehr finden sich also im Deckel des Koffers.

Von innen nach außen

Fangen wir also mal munter an, die Beschreibung wird ein wenig springen und nicht besonders systematisch sein. Das liegt einfach daran, dass all die kleinen Objekte kaum logisch in den Taschen untergebracht werden können, sondern mehr oder minder so verstaut werden, dass sie irgendwie Platz finden. Da liegt dann schon mal ein Blitzständer auf der Puderdose. Aber nur so kriege ich den ganzen Kram unter.


Im engen Sinn fotografisch sind insgesamt drei Teile, die per Filtergewinde vor meine Objektive geschraubt werden können: Ein Polfilter, ein schlichter Schutzfilter aus Glas und eine Nahlinse. Alle drei haben ein 77er Gewinde, was sie früher dafür qualifiziert hätte, auf alle drei L-Objektive von Canon zu passen, die ich besaß. Seit dem das 16-35mm/2.8 bei mir in der Tasche liegt, ist es mit dieser Herrlichkeit leider vorbei. Der 82er Durchmesser dieses Objektivs durchbricht die schöne Systematik, was zur Folge hat, dass die Filter auf dem Weitwinkel derzeit einfach nicht genutzt werden können.


Wozu diese drei Gerätschaften? Die Nahlinse benutze ich vor allem bei typischen Corporate-Jobs, um nette Makroaufnahmen von Objekten machen zu können: Finger, die über Tastaturen flitzen, Produktdetails, kleine Objekte ganz groß. Das sind immer schnell gemachte und vielseitig einsetzbare Bilder, über die sich die Marketingabteilung freut.

Den Polfilter nehme ich fast nur, um blaue Himmel noch etwas blauer zu machen, ebenfalls gerne gesehen, wenn die Produktionshalle oder das Verwaltungsgebäude vor satt blauem Himmel stehen, auch wenn die Realität vielleicht ein wenig blasser ausschaute. Und der einfache Glasfilter? Den nehme ich, wenn geschweißt, geflext oder gesandstrahlt wird. Der Funkenflug z.B. beim Flexen ist immer attraktiv, und man kann ihn auch aus sicherer Entfernung fotografieren. Richtig sexy wird’s aber erst, wenn man mit der Kamera ganz nah ran geht und die Funken erkennbar unmittelbar vor der Linse vorbeifliegen.

Da riskiere ich lieber den Filter als die Frontlinse des Objektivs. Ich brauche unbedingt auch einen Schutzfilter für das Weitwinkel, aber Canon ruft für die 82mm-Version einen Preis von rund 100 Euro auf. Muss mich baldmöglichst mal woanders umschauen; das ist einfach zu viel für eine Glasscheibe im Blechhalter.

Kosmetik und Gesundheit

Immer dabei habe ich ein Puderdöschen im mittleren Hautton. Unverzichtbar für Portraits besonders „glänzender“ Zeitgenossen oft männlichen Geschlechts. Die Damen haben ja meist etwas eigenes in den Untiefen ihrer Handtaschen – aber auch darauf kann man sich nicht verlassen. Ein wichtiges Utensil also für das mobile Portraitstudio.

Wichtig für den eigenen Support sind: eine Dosis homöopathischen Heuschnupfenmittels, das ich jedoch immer seltener wirklich benötige, da sich die Allergie kontinuierlich zurückgebildet hat. Trotzdem beruhigend in den entsprechenden Jahreszeiten. Dann ein griffbereites Pflaster, eine Reisezahnbürste + Mini-Zahnpastatube (falls sich auf beruflichen Fahrten eine überraschende Übernachtung ergibt) und ein Satz Kontaktlinsen sowie ein kleines Fläschchen Pflegemittel. Es gehört zu meinen Horrorvorstellungen, dass mir unterwegs mal eine Linse rausfällt oder kaputt geht, und ich auf einem Auge blind fotografieren muss. Das will ich nicht erleben, daher ist immer Ersatz an Bord! Und nicht zuletzt fällt in diese Kategorie auch noch ein Döschen mit Hustenpastillen, falls mir mal die Stimme flöten geht oder ich einfach so lange unterwegs bin, dass das Bedürfnis nach Frische immer wichtiger wird.

Tools

Dann habe ich dabei: 2 kleine Tischstative, von denen eines auch eine schwere Profikamera halten kann. Das benutze ich, wenn ich die Kamera an ungewöhnlichen Orten positionieren will. Zum Beispiel, wenn sie hinter eine Maschine positioniert werden soll, dort aber für mich kein Platz mehr ist. In solchen Fällen platziere ich die Kamera auf dem Stativ, fixiere den Neigungswinkel mit einem kleinen Kugelkopf, verbinde die Kamera per Kabel mit dem Laptop und kann so den Bildausschnitt und die Schärfe kontrollieren. Bequem kann ich die Kamera dann auch per Software auslösen – eine sehr befriedigende Erweiterung der fotografischen Möglichkeiten in bestimmten Situationen! Und genau für diesen Zweck habe ich auch die zwei USB-Kabel dabei, jeweils für unterschiedliche Distanzen. Komplettiert wird die Innentasche des Koffers mit einem Satz weißer Handschuhe (nützlich und Kunden-Nerven-schonend, wenn man mit glänzenden Objekten oder mit Kunst zu tun hat) sowie ein Kabelfernauslöser für die Kamera. Außerdem ein kleines Arsenal von LED-Lampen, wie man sie häufig als Werbegeschenke bekommt. Die haben schon manchem Bild einen kleinen, aber feinen Effekt verpasst.

Einmal wenden, bitte

Der Calumet-Koffer bietet weiteren Stauraum auf der Vorderseite des Deckels. In der Außentasche befindet sich eine A4-Hülle mit zurechtgeschnittenen Filterfolien. Darunter befinden sich Konvertierfilter genauso wie normale Farbfilter in allen erdenklichen Farben. Am meisten nutze ich Warm- oder Kaltlichtfolien, es kommt aber auch schon mal vor, dass ich krasse Signalfarben für bestimmte Zwecke als Effektlicht nutze.

In dem Beispiel ist die magenta-Farbe des Lasers links unten „echt“; das sah tatsächlich so aus. Die Lichtschimmer in der gleichen Farbgebung am linken Bildrand und hinter dem Techniker hingegen waren in der Realität jedoch nicht vorhanden, den haben wir mit einem entsprechenden Blitz und der passenden Farbfolie „hinzugedichtet“. So was geht eben nur, wenn man auch den entsprechenden Farbton dabei hat….

In der inneren Tasche transportiere ich dann noch einen 15″-Laptop sowie das dazugehörige Ladegerät. Den Laptop verpacke ich noch zusätzlich in eine Schutzhülle, damit er noch etwas besser gegen Stöße und andere ruppige Ereignisse geschützt ist. Bei Bedarf kommt hier auch mein IPad rein, falls ich beim Kunden noch unser Portfolio oder Referenzen unseres Filmpartners Gert Wagner präsentieren möchte. In den kleinen Taschen sind zwei Lesegeräte für CF- und SD-Karten sowie mein zweiter Autoschlüssel. Der scheint mir da sinnvoller untergebracht zu sein als in einer Schublade zu Hause, wenn ich meinen Schlüssel gerade irgendwo unterwegs verloren habe. Am Bändsel hängt eine kleine LED-Lampe sowie ein USB-Stick, den ich immer mal wieder als Werbegeschenk erhalte. Mitunter kommt es vor, dass der Kunde ein paar Bilder vom Shooting schon mitnehmen möchte, so bietet sich hier eine elegante Möglichkeit, ihm diese auf dem Stick mitzugeben.

Wichtig auch: zwei Kugelschreiber und ein kleines Moleskine-Notizbuch. Nicht selten finden adhoc-Briefinggespräche statt, da ist es gut, etwas zum Notieren dabei zu haben.

Natürlich ist auch ein bißchen Marketingmaterial im Koffer: neben Präsentationsmöglichkeiten via iPad habe ich auch immer zwei solide Metallschachteln für die Visitenkarten meiner beiden Firmen dabei (einmal als Einzel-Fotograf, einmal als Fotografenteam Ahrens+Steinbach; die Schachteln verhindern das Verknicken!). Und immer an Bord ist auch der Portfolioprospekt, den unsere Fotografen-Repräsentanz “fotogloria” für uns gestaltet hat und den wir gerne bei den entsprechenden Kunden als kleine Erinnerungsstütze lassen.

Der Calumet-Koffer verfügt unterhalb des Transportgriffs über ein Fach, in dem die Rucksackgurte des Koffers verstaut werden, wenn man sie nicht benutzt. Da ist aber noch etwas extra Platz, und den nutze ich für ein sauberes schwarzes T-Shirt aus knitterfreiem Funktionsstoff, das ich immer dabei habe. Nützlich, wenn man sich in der Kundenkantine Tomatensuppe übers Hemd gießen würde….

Tja, und das war es jetzt auch! Die großen Geheimnisse meines Fotografenkoffers sind gelüftet! Und vielleicht weist auch dieser zweite Teil meines Berichts den einen oder anderen interessanten Aspekt auf, der fotografierenden Kollegen einen nützlichen Hinweis geben mag.

Vielleicht noch ein Gedanke: so eine Tasche verändert sich laufend. Sie wächst, schrumpft und entwickelt sich, neue Tools kommen, alte gehen, Dinge müssen umorganisiert werden oder werden schlicht überflüssig. Es macht mir immer richtig Spaß, mich mit solchen Aspekten zu befassen: Ziel ist es für mich, meine Arbeitsweise und meine Arbeitsphilosophie bestmöglichst unterstützt zu wissen. Daran arbeite ich laufend.

In diesem Sinn: viel Spaß beim Packen!

Christian Ahrens
www.christianahrens.de/blog

6 Kommentare zu „Der Fotokoffer eines professionellen Fotografen“

  1. Eigentlich habe ich noch nie wissen wollen, wer was wohin schleppt – aber dieser Artikel ist doch sehr interessant, muß ich sagen. Aus der Praxis für die Praxis… Vielen Dank für den Einblick in die Tasche. 🙂

  2. @ Carlo: wir sind ja noch nicht fertig…. .-) Der Koffer ist nur eine von vielen Ausrüstungselementen. Der ganze Kofferraum ist noch voller Zeug. Darüber berichte ich demnächst!

    @S. Wickenkamp: Danke, freut mich, dass der Beitrag interessant erscheint!

    VG
    Christian

  3. Ich habe lange gesucht und keinen wirklichen „Tipp“ finden können, der durch kurzzeitiges Nachdenken oder die Jobspezifika nicht als logisch vorgegeben wären.

    Reine Publicity ohne wirklichen Mehrwert für den anspruchsvollen Amateur, der sich noch ein bisschen Verstand erhalten hat und nicht allen „Möchtegerns“ mit Sendungsbewusstsein jeden Kram nachahmt

    Grüße

  4. Hallo np,

    wenn Sie nichts gefunden haben, andere haben es offensichtlich. Und wenn für Sie der Beitrag ohne Nährwert war, können Sie das auch höflicher mitteilen. Der Kollege Ahrens ist sicherlich alles andere als ein „Möchtegern“, er hat sich seine Position hart erarbeitet.
    Wir Berufsfotografen haben es schwer genug, da sind solche Anmerkungen einfach unangemessen, mit Verlaub.

    Grüße,

    wim woeber

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