Praxis-Tipps zur Konzertfotografie

Eine kurze Abhandlung über wenig Licht, wenig Zeit und wie man dennoch gute Bilder machen kann

Von Peter Wafzig

Musik -so steht es bei Wikipedia- ist „die organisierte Form von Schallereignissen“. Hört sich sehr nüchtern an. Und richtig, wer schon einmal auf einem Livekonzert war, wird wissen, dass Musik viel mehr ist, als die Definition vermuten lässt. Als Fotograf muss man den Spagat zwischen dem audiovisuellen Erlebnis beim Konzert und dem späteren Print schaffen, ohne dass die Stimmung dabei verloren geht.

Alles eine Frage der Organisation

Wie immer, ist das am Anfang alles eine Frage der Organisation. Gerade bei Konzerten sind die Zugangsbeschränkungen für Fotografen inzwischen sehr hoch und die Freiheit im Konzert oft auch sehr eingeschränkt. Um das zu kompensieren, muss man gut vorbereitet sein. Der erste Weg in ein Konzert führt deshalb zum Veranstalter. Der ist für die Akkreditierung zuständig und vergibt die heiß begehrten Fotopässe. Außerdem ist er Ansprechpartner und kennt die Auftrittszeiten und Bedingungen, die das Management an die Fotografen stellt. Was auch immer man zu einem Konzert wissen möchte – der Veranstalter wird es wissen. Als Amateur wird man wenig Chancen haben, an einen Fotopass heranzukommen, denn selbst große Redaktionen müssen regelmäßig eine Vorberichterstattung nachweisen.


Arnim Teutoburg – Beatsteacks – Foto: Peter Wafzig

Damit ist die erste Hürde genommen, die Akkreditierung ist erledigt und man kann sich auf den Auftrag konzentrieren. Da wäre dann zunächst die Frage, was man an Technik benötigt. Dass bei Konzerten wenig bis sehr wenig Licht vorhanden ist, ist kein Geheimnis. Zu allem Übel darf man bei Konzerten nicht blitzen und darf meistens nur während der ersten drei Songs fotografieren. Zusammengefasst kann man also sagen: Kein Licht und keine Zeit. Entsprechend muss man sich organisieren.

Kein Licht

Der Weg aus der Lichtkrise führt zum großen Teil über die Objektive. Lichtstarke Objektive mit einer Blendenöffnung von f/2.8 sind das Mittel der Wahl. Lichtschwächere Objektive lassen sich so gut wie gar nicht gebrauchen, im Gegenteil: Wenn man Festbrennweiten mit Lichtstärken von f/1.4 oder f/1.8 zur Verfügung hat sollte man die ebenfalls in Erwägung ziehen. Je nach vorhandener Ausrüstung sollte man zwei oder drei Zooms dabei haben, die den Brennweitenbereich vom starken Weitwinkel bis zum mittleren Tele (ca. 200mm) abdecken. Als Festbrennweite empfiehlt sich ein leichtes Tele mit 85mm, um bei sehr schlechten Lichtverhältnissen wenigstens noch ein paar Portraits schießen zu können.


Chad Kroeger – Nickelback – Foto: Peter Wafzig

Fast so wichtig wie die Objektivwahl ist die Kamera. Sie muss solide Ergebnisse im Bereich von 1600 ISO zulassen und zur Not auch bei 3200 ISO noch ein mit etwas Nachbearbeitung (Entrauschen) wenigstens brauchbares Ergebnis liefern. Kameras, deren Einstellbereich bei 400 ISO oder 800 ISO endet, sollte man nicht verwenden.

In der Kombination dieser beiden Mittel wird man in den meisten Konzerten recht sicher mit Belichtungszeiten von rund 1/125tel rechnen können. Die braucht man aber auch, denn ein 200mm Tele kann man kaum unterhalb dieser Zeiten noch verwacklungsfrei halten.

Keine Zeit

„Die ersten drei Songs“ lautet die übliche Vorgabe für die Fotografen. Das ist aber nur eine grobe Angabe, denn niemand weiss vorher so ganz genau, wie lange ein Song dauert. Da kann es dann auch mal ein Intro geben, das als Song gezählt wird, aber nur wenige Sekunden dauert. Realistisch gesehen muss man mit allem zwischen 5 und 15 Minuten rechnen. Und in Ausnahmefällen wird man mit absurden Vorgaben konfrontiert, wie zum Beispiel bei Stevie Wonder: Der sollte während der ersten 20 Sekunden des Intros und dann anschließend nochmal eine Minute während des ersten Songs fotografiert werden.


Michael Stipe – REM – Foto: Peter Wafzig

Die vorhandene Zeit muss also optimal genutzt werden. Zeit kann man hier auf jeden Fall sparen, wenn man mit einem Plan im Kopf an die Sache heran geht. Dazu muss man sich im Vorfeld auf jeden Fall mit der Band oder dem Künstler befassen. Gerade bei Bands muss man genau wissen, wer wichtig ist und wer nicht. Oft stehen Musiker auf der Bühne, die für eine Tour eingekauft wurden, aber mit der Band sonst nicht in Erscheinung treten. Und auch der Frontmann oder die Frontfrau stehen nicht immer vorne in der Mitte der Bühne. Also muss man vorher googeln und herausfinden, wer der Kopf der Band ist und wie er aussieht.

Gerade Printredaktionen drucken eigentlich nur Fotos von den Hauptpersonen. Die fotografiert man zuerst, macht die üblichen Portraits und Halbportraits im Hoch- und Querformat. Danach kann man sich an die restlichen Bandmitglieder machen und auch ein paar Übersichten fotografieren. Erst wenn diese „sicheren Bilder“ im Kasten sind, kann man sich an die Kür machen. Die kann dann auch mal ein paar außergewöhnliche Perspektiven umfassen und ein paar Details aufnehmen. So gibt es bei fast jeder Band irgendeine Spezialität. Seien es fliegende Teddies und BHs bei den Backstreet Boys oder die unzähligen Grimassen von Alice Cooper.


Like Pritchard – The Kooks – Foto: Peter Wafzig

Zeit spart man auch mit der Optimierung der Ausrüstung. Da gilt der alte Spruch: Weniger ist mehr. Eine Kamera und drei Objektive sind vollkommen ausreichend. Sicher, man kann drei Kameras verwenden – muss dann aber auch drei Kameras im Griff haben. Denn oft muss man Einstellungen an der Belichtung oder am Autofokus ändern, vielleicht auch den ISO-Wert – das muss dann an allen Kameras geändert werden. Da ist ein Objektivwechsel die schnellere Alternative.

Vor allem, wenn an die Objektive bei sich trägt. es gibt hervorragende Systeme, die alle Objektive an einem Gürtel aufnehmen und noch Platz für Zubehör lassen. Der Zugriff auf ein Objektiv ist dann deutlich schneller als das mühsame Kramen in der Fototasche. Und man ist deutlich beweglicher, wenn die Ausrüstung an der Hüfte hängt. Eine Fototasche hat im engen Bühnengraben also eigentlich nichts zu suchen.

Viel Einsparpotenzial gibt es auch bei den Kameraeinstellungen. Wer seine Kamera blind bedienen kann, vermeidet Fehler und schafft sich zudem die Möglichkeit, auf Unerwartetes reagieren zu können. Gerade bei der Belichtungsmessung muss man oft korrigieren, denn das Licht wechselt bei anspruchsvollen Lightshows recht häufig. Wer die Zusammenhänge von Blende, Zeit und ISO-Wert sehr gut schätzen kann und sich mit Histogrammen auskennt, ist deutlich im Vorteil. Die Kontrolle des Histogramms am Kameramonitor kostet nur wenige Sekunden, bringt aber schon fast hundertprozentige Sicherheit.

Und auch beim Thema Autofokus kann die richtige Einstellung zu deutlich besseren Bildergebnissen führen. Wer ständig zwischen den Einstellungen für One-Shot und Continuous-AF hin- und herwechseln muss, verliert Zeit. Man kann fast alle Kameras so einstellen, dass der Autofokus nicht am Auslöser sondern an einer separaten Taste aktiviert wird. Bei älteren Canon-Modellen ist es die Sterntaste, bei den neueren Modellen und den Nikon-Kameras gibt es eine separate AF-On-Taste, die man mit dem rechten Daumen sehr gut bedienen kann. Dadurch kann man immer den Continuous-AF einstellt lassen und mit einem Druck auf die Taste den Autofokus ständig mitführen lassen. Will man auf ein Detail scharfstellen und anschließend verschwenken, lässt man die Taste los, verschwenkt und löst dann aus. Da der Auslöser bei dieser Einstellung den Autofokus nicht mehr aktiviert, bleibt die Schärfe dort, wo man sie vorher hingelegt hat.


Katy Perry – Foto: Peter Wafzig

Es ist also möglich, die Probleme mit mangelndem Licht und mangelnder Zeit in den Griff zu bekommen oder sich zumindest so damit zu arrangieren, dass man das optimale Ergebnis herausholen kann.

Bildgestaltung anpassen

Wenn man das Motiv und das Licht nicht beinflussen kann, müssen andere Mittel her, um die Bildgestaltung an das Thema anzupassen. Bei ruhigen Acts, beispielsweise einer Solosängerin wird man mit verschiedenen Perspektiven arbeiten müssen, viel mehr wird da nicht möglich sein. Die Wirkung eines Bilds ergibt sich in so einem Fall meistens aus dem Gesichtsausdruck und der Körperhaltung der Sängerin. Auch wird man auf einen klaren Hintergrund achten, damit der Blick des Betrachters nicht vom Hauptmotiv abgelenkt wird. Da wird oft eine Teleperspektive gewählt, die den Hintergrund aufgrund der geringen Schärfentiefe auflöst.

Anders sieht es bei lauten und schnellen Bands aus. Neben der Perspektive kann man die Bildgestaltung durch eine Änderung der Kameraachse (Kippen) deutlich verbessern. Wenn man die Diagonale richtig ausnutzt, gibt man den Bildern Dynamik und nutzt ganz nebenbei auch das Bildfeld deutlich besser aus. Wenn man ein Weitwinkel benutzt und die Möglichkeit hat, an das Motiv heranzugehen, sollte man auch das nutzen. Die Nähe zum Motiv bringt immer einen deutlichen Gewinn in der Bildwirkung. Je näher, desto besser. Dabei muss man zwar darauf achten, den Musikern nicht zu nahe zu kommen, dennoch kann man schon mal für einen Moment die Kamera vom Auge nehmen und in Richtung Bühne halten um noch einen halben Meter Distanz abzubauen. In solchen Situationen hilft der bei neuen Kameramodellen vorhandene Live-View-Modus, das Motiv trotz fehlendem Suchereinblick noch etwas im Blick zu behalten und den Bildausschnitt nicht erraten zu müssen.


New Kids On The Block – Foto: Peter Wafzig

14 Kommentare zu „Praxis-Tipps zur Konzertfotografie“

  1. Andere Beispiele:
    Jürgen von der Lippe und Martin Schneider nur die ersten drei Minuten. Martin Schneider stand dabei im dunkeln und das Licht ging dann nach vier Minuten an.

    Viele Konzerte, vor allem Comedy und die ohne Graben, drf man nur von der Seite, also nicht vor der Bühne oder vom Mittelgang fotografiert werden, damit dem zahlenden Publkum nicht die Sicht genommen wird.

  2. Pingback: Wie man Konzerte fotografiert « Kreativrauschen

  3. Pingback: Wochenrückblick 09/2009 « lens-flare.de - Blog über Fotografie

  4. Pingback: Konzertfotografie: Fotos auf einem Konzert schießen » Gif-Grafiken.de

  5. Gute Praxis-Tipps!
    Falls es in Clubs geht wird das Licht sogar noch schlechter und es gab Momente, da habe ich die Kamera gar nicht erst rausgenommen.
    In Clubs gilt sehr oft ISO 3200 und um hier noch mit einem 200er arbeiten zu können steht mein Cam auch noch auf einem Einbein.

    Was ich als oft störend empfinde ist der hohe Rotanteil bei der Bühnenbeleuchtung. Kaum Licht und das wenig Licht auch noch Rot….empfinde ich als die echte Herausforderung, auf die ich nur noch mit SW Fotos antworte.

    Bogi

  6. Nach einigen guten Tips zum praktischen Umgang mit der Konzertfotografie würde mich ja auch noch brennend ein bisschen Hintergrundwissen interessieren:

    Wie kommt man überhaupt als Fotograf aufs Konzert also man muss sich ja akreditieren aber trotzdem wird da ja nicht jeder kommen können. Und, wer kauft die Fotos / wie verkauft man die Fotos (Agenturen, (gibt es da spezielle) direkt über eine Redaktion, Auftrag vom Management / Künstler…)?

  7. Zu Stefan: akkreditierenden kriegst meistens nur dann wenn du ein Mediium vorweisen kannst für welches du fotografierst, die Bands kaufenim seltensten Fall die Bilder

  8. Gute Tipps. Vielen Dank dafür. Spotmessung ist definitiv sehr hilfreich. Ich komme oft mit 35 und 85 mm aus und nutze die Möglichkeiten des jeweiligen Konzertraumes und klettere auch gerne oft hinter dem Bühnenvorhang oder auf Emporen oder auch mal Lautsprecherboxen, um andere Perspektiven zu nutzen. Verkaufen kann ich dir Bilder nicht, aber sie sind immer wieder eine Eintrittskarte in shootings mit den Musikern selbst für CD Booklets. Vg martin

  9. Pingback: Konzertfotografie – Theorie und Praxis am Beispiel eines Clubkonzerts | Private Homepage von Bernd Gulde

  10. Aber auch wenn es teilweise gruselige Lichtsituationen und viele andere Dinge auf Konzerten gibt, die das Fotografieren erschweren, die Konzertfotografie macht einfach riesig Spaß.

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